Reiseberichte


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WAS UNS ALTE STEINE ALLES ERZÄHLEN KÖNNEN

Über die Agentur, von der wir den notwendigen Einladungsbrief für das Land erhalten haben, organisieren wir uns ein Auto mit Fahrer. Wie ein riesiger brauner Fleck dehnt sich die flache Wüste aus, wenige karge Bäumchen sind da zu finden, verschiedentlich tauchen Siedlungen auf, einfache, quaderförmige Lehmbauten, umschlossen von einer Mauer, meistens mit verzierten Eingangstoren versehen.
Unvermutet zweigt unser Fahrer von der Straße ab und fortan holpern wir über eine sandige Piste. Er kennt die Wüste wie seine Westentasche, erzählt er uns, sein Großvater hat ihn zur Jagd mitgenommen, seit er sieben Jahre alt war.

Bald nähern wir uns der Anlage von Naqa. Zeitgleich mit dem Ptolemäer-Reich und den römischen Kaisern war die antike Stadt ein halbes Jahrtausend eines der Zentren des Königreichs von Meroe, dem als südliche Nachbarn Ägyptens eine Brückenfunktion zwischen Mittelmeerwelt und Afrika zukam.
Eine Gruppe von deutschen Archäologen verlässt gerade das Gelände. Sudans altem Kulturerbe droht der Verfall, denn bis jetzt hatte die Regierung wenig Interesse an der Erhaltung. Finanzielle Unterstützung erhielt sie erst 2013 durch großzügige Zuwendung vom Herrscherclan in Katar, der seinen Einfluss geltend machen will.
Der hiesige Aufseher ist bald zur Stelle und will Dollars für den Eintritt. Die haben wir aber nicht und nach längerem Verhandeln ist er bereit auch sudanesische Pfund anzunehmen, ohne Rechnung versteht sich, so ist beiden Seiten gedient.
Dafür begleitet er uns zum Tempel von Amun, der im 1.Jh. von König Natakamani errichtet wurde, und weist uns auf wichtige Details hin.

Schon von weitem kann man die imposante Widdersphinx-Reihe ausnehmen, der großzügig angelegte Tempel beinhaltet zahlreiche Mauern und kunstvoll verzierte Säulen, auf denen ausgezeichnete Reliefs zu finden sind.
Etwas entfernt befindet sich der wuchtige Löwen-Tempel, ein Glanzstück der Architektur der Kuschiten, ebenfalls reich an plastischen Reliefs. Interessant auch der sogenannte römische Kiosk, dabei handelte es sich wahrscheinlich um eine Hathor-Kapelle. Wir stiefeln ganz alleine herum, großes touristisches Interesse an den Kulturgütern besteht nach wie vor kaum, das ist wirklich schade, aber für uns natürlich großes Glück, so ganz alleine sich den fantastischen Bauwerken widmen zu können.
Abermals kurven wir durch die karge Wüste, lustig springen schwarze Ziegen hinter den dornigen Büschen hervor, vereinzelt sind auch Kamele zu finden.

Vieles deutet daraufhin, dass Musawwarat als Pilgerzentrum diente, man findet eine große Anzahl von Besucherinschriften, darunter die bisher einzige lateinische aus Nubien. Die große Anlage ist ein Gewirr von Höfen, dessen Zentrum ein Tempel ist, der von Säulen umgeben wird. Neben kleineren Tempeln finden sich viele Tierskulpturen, vor allem von Elefanten. Originell mutet auf einer der Mauern die Verzeichnung der Preußischen Expedition im März 1844 an.

Nun brausen wir weiter und haben bald die eindrucksvollen Pyramiden von Meroe, wieder mitten in der Wüste, erreicht. Die mehr als 900 aus Stein erbauten Pyramiden und Gräber befinden sich über kleine Sandhügel verteilt, sind unter 30 Meter Höhe, haben einen Winkel von 70 Grad und sind treppenförmig, es ist weltweit die größte Ansammlung an Pyramiden. Sie entstanden 300 v. Chr. bis 300 n. Chr. und dienten Königen, Königinnen und Beamten des Reiches von Kusch in Nubien als Grabstätte. Die Totentempel vor den Pyramiden sind in Sandstein gebaut und mit Reliefs ausgeschmückt.
Der italienische Arzt Giuseppe Ferlini besuchte 1834 die Pyramiden und zerstörte viele von ihnen bei der Suche nach Grabbeigaben.

Warm taucht die Sonne die alten Mauern und Steine in ihr rotes Licht, nun wird es Zeit für uns, eine Lagerstatt aufzusuchen. Ein teures Camp wollen wir uns nicht leisten, daher bringt uns unser Fahrer zu einer in Bau befindlichen Anlage, aber ein Zimmer können wir beziehen, grade mal zwei Betten stehen drin, dafür gibt es sogar eine Dusche und für zwei Stunden Strom von einem Generator, und das alles auch noch gratis!
Zufrieden verabschieden wir uns von unserem Fahrer, doch er ist sehr besorgt, ob unseres eigenständigen Weiterkommens und schreibt uns eine ganze Litanei an arabischen Worten auf, obwohl Geri sich ja inzwischen auch ganz gut verständigen kann.

Am Morgen werfen wir einen letzten Blick auf die im Dunst verschwommenen Bergsilhouetten und die Pyramiden, dann bringt uns der Verwalter zur Bushaltestelle. Einsam und allein stehen wir da am Straßenrand, bis schließlich ein Bus heran rauscht, der große Rucksack wird im Laderaum verstaut und wir steigen ein – und glauben zuerst im falschen Etablissement zu sein! Rote geschwungene Rüschenvorhänge über den Fenstern, Quasten baumeln von der Decke, ein Geruch von Räucherstäbchen und Parfüm durchzieht das Innere, am Bildschirm vorne lassen neckische Mädchen ihre Stimmen erschallen.
Im Halbdunkel suchen wir zwei freie Plätze, unser Nebenmann, mit gewaltig weißem Turban, begrüßt uns sogleich freudig, er kann ausgezeichnet englisch und wie wir erfahren, handelt es sich um den ehemaligen Polizeichef.
Bei Mitschnitten von Live Konzerten mit klassischen Instrumenten wie Geigen und Querflöten, aber auch Trommeln und Schlagzeug, mit rockig tanzenden Muslimen, Kabaretts mit Männern und Frauen am Bildschirm und launigen Gesprächen mit unserem Nachbar verläuft die Fahrt bis Atbara wie im Flug. Von der eher eintönigen Wüste erhaschen wir nur hin und wieder einen Blick, wenn wir die Vorhänge ein wenig lüpfen. Öfter steigen junge Burschen ein und bieten Säckchen mit Kichererbsen zum Verkauf, verhungern müssen wir jedenfalls nicht.

Beim Aussteigen werden wir sofort von zwei Einheimischen in Empfang genommen und zum nächsten Bus verfrachtet. Natürlich fragt man auch wieder nach unserer Herkunft. Nimsa, antworten wir gewohnheitsmäßig. Vienna, erwidert der Bursch neben uns schlagfertig. Frage: Wer weiß bei uns auf Anhieb die Hauptstadt von Sudan?
Am Marktplatz von Karima werden wir ausgespuckt, unser Quartier liegt etwas außerhalb, gleich neben den Pyramiden und dem berühmten Jebel Barkal.

Wir organisieren ein Auto und durchdringen die Wüste, zu beiden Seiten tun sich großartige Canyons und Abbrüche auf. Schließlich zweigen wir auf eine Piste ab, dann stehen wir bald vor den Resten von El Kurro. Die ältesten Gräber werden auf 860 v.Chr. datiert, aus einfachen Grabhügeln entwickelten sich gemauerte Steinblöcke über der eigentlichen Grabkammer. In der Mitte des Ausgrabungsgeländes ist eine halb abgetragene Pyramide zu sehen, umgeben von Erdhügeln und Einstiegsöffnungen, die in Gewölbekammern führen.
Kein Mensch ist weit und breit zu sehen, wir stapfen auf dem sandigen Platz herum, auf der Suche nach jemanden, der uns die vergitterten Eingänge aufsperrt. Nach einer Weile kommt ein kleines Mädchen vorbei und sie weiß sofort, was wir wollen. Schnell eilt sie zu unserem Fahrer und fährt mit ihm fort. Nach einer Weile erscheint ein Mann mit Schlüsseln, und auch über den Preis sind wir uns gleich einig. Wir steigen also den Weg in die unterirdische Kammer hinunter und sind überrascht, welch großartige Wandmalereien und Hieroglyphen da zu finden sind.

Nun setzen wir die Fahrt nach Nuri fort und drehen dort eine ausgedehnte Runde um die schon recht versandeten Pyramiden. Am Nachmittag begeben wir uns in Richtung Jebel Barkal. Zuerst besichtigen wir das winzige Museum im Tempelbezirk, dann führt uns der Weg zu den Ruinen des Amuntempel und weiter zum Tempel Mut. Er liegt am Fuße einer senkrechten Sandsteinflanke, davor befindet sich eine 70 m hohe freistehende Felsnadel, als Uräusschlange gedeutet, das Symbol ägyptischer Könige. In einer verschlossenen Kammer dürfen wir herrliche Steinfresken bewundern. Nach dem Rundgang um den Heiligen Berg und zu den rund 20 Pyramiden hieven wir uns an der Nordflanke durch Sand, Geröll und über schwarze Felsplatten auf den 100 m hohen Tafelberg. Ein grandioser Rundblick tut sich in die Weite ringsum auf. Auf der einen Seite liegt die Stadt, malerisch ragen die weiß-grünen Minarette heraus, dazwischen schmale Palmenstreifen, auf der anderen thronen auf einem Sandhügel die Pyramiden, in der Ferne der Nil.



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