Reiseberichte


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DER ÜBERFALL ALS WELTKULTURERBE

Gutgelaunt brettern wir dahin, nun sind wir schon ziemlich nahe der Libyschen Grenze, da ist natürlich auch mehr an Militär zu sehen, schließlich muss das Gebiet geschützt und gesichert werden. Wir passieren mehrere Polizeikontrollen, aber alle winken uns freundlich weiter, auch ein aus elenden Baracken bestehendes Militärlager müssen wir durchfahren. Nur einmal werden wir aufgehalten und gefragt, warum wir uns hier aufhalten. Unser Ziel ist natürlich einer der wunderschön gelegenen großen Ounianga Seen, auf eifriges Betreiben des Präsidenten endlich zum UNESCO Weltkulturerbe erklärt.

Nach einigen Fotos kehren wir um, gelangen erneut in das Militärlager.
Plötzlich werden wir angehalten! Normalerweise genügt es, wenn Hassan die Durchfahrtsgenehmigungen zeigt, nicht so diesmal. Er steigt aus und wird sofort von einem Soldaten mit Sonnenbrille und Rambo Gehabe mit einem heftigen Stoß körperlich attackiert. Der Fahrer Hamid steigt ebenfalls aus und versucht zu beschwichtigen. Inzwischen haben sich weitere Soldaten dazugesellt und halten ihre Gewehre bedrohlich im Anschlag. Der vermeintliche Unteroffizier kann leider gar nicht lesen und daher interessiert ihn auch der Schrieb nicht sonderlich.
Jetzt fängt der Typ an ordentlich herumzubrüllen: Wer ist hier der Boss?? Wer hat hier das Sagen? Eine Antwort wartet er gar nicht erst ab.
Nun wird es echt brenzlig! Aus dem ersten Auto müssen alle aussteigen, dann stiefelt er zum zweiten Auto, reißt die Wagenschlüssel heraus und herrscht alle an ebenfalls auszusteigen. Gleich drauf sind wir dran, auch von uns bemächtigt er sich der Zündschlüssel. Geistesgegenwärtig packe ich unseren Rucksack, wer weiß, was nun alles kommt! Wenn wir vielleicht länger festgehalten werden, braucht Geri ja sein Insulin! Dörte will deshalb noch schnell ihren Asthma Spray holen, aber zu spät, es wird ihr unmissverständlich verwehrt.

Die Situation spitzt sich weiter dramatisch zu, denn wir müssen uns auf einem Platz aufstellen, im Halbkreis um uns die anderen Soldaten, die meisten davon noch im Teenager Alter, mit angelegten Waffen, einige direkt auf uns gerichtet. Beängstigende Stille tritt mit einem Mal ein, offensichtlich weiß der Typ nicht so ganz genau, was er nun als nächstes tun will. Dann brüllt er erneut herum, man merkt deutlich, dass jede Menge Alkohol im Spiel ist. Jetzt gilt es ruhig zu bleiben, kein falscher Ton, keine falsche Bewegung, alles, was unser unberechenbares Gegenüber provozieren könnte!
Just da biegt ein alter Mann um die Ecke und wird fast das nächste Opfer seiner wilden Attacken, er kann gerade noch rechtzeitig abhauen.
Ein mulmiges Gefühl macht sich allmählich bei uns allen breit, ein breites Spektrum an Möglichkeiten, die sich da vor uns auftun, ist zu erwarten.
Nun lässt er uns einzeln vortreten, einer der Männer muss uns abtasten. Bei Sylvia zögert er zwar, gehorcht aber dem Befehl. Tasche öffnen, pfaucht der Typ, zögernd kommt Sylvia dem nach. Natürlich sticht ihm sofort Geris Insulinbeutel ins Auge und schnell sind die Pens herausgeholt. Geri tritt vor und versucht zu erklären, was zu neuerlichen Brüllorgien führt: Wer ist hier der Boss, mit wem sprichst du? Sein Nebenmann erklärt und besänftigt ihn dann etwas und er verliert die Lust, lässt Sylvia zu den bereits Untersuchten ziehen. Nun lässt er seinen Machtrausch an Geri aus, fast erwischt er aus dessen Hosentasche die Möbius Kamera, da streckt ihm Geri schnell die elektronische Zigarette heraus, die Möbius-Kamera bleibt glücklicherweise unentdeckt. Drugs, schreit er nun wie irre, und schlägt sie ihm aus der Hand.
Die Situation spitzt sich nochmals gefährlich zu!
Als nächstes ist Chris dran, mit dem macht das Arschloch kurzen Prozess, reißt ihm seinen Rucksack ab und kippt den Inhalt in den Sand. Scheinbar ist nichts Brauchbares für ihn dabei, also darf Chris alles wieder aus dem Sand einsammeln und gehen.
Bei Lutz aber wird er fündig. Der muss zunächst die Brillen abnehmen, man merkt deutlich, es geht ihm auf jeden Fall um Demütigung. Da entdeckt er die Börse mit Geldscheinen in der Hemdtasche und schleudert sie in hohem Bogen zu Boden. Zuletzt ist Hassan dran, auch da ist Geld zu holen und um dem ganzen auch noch entsprechenden Ausdruck zu verleihen, reißt er ihm den blauen Turban vom Kopf und tritt ihn in den Sand.

Wir vermuten, dass nun eine Durchsuchung der Autos fällig ist, aber offenbar hat er genug, brüllt noch einmal wie ein Wahnsinniger herum und rückt dann die Autoschlüssel heraus. Unsere Fahrer geben Fersengeld. Jetzt bloß nicht steckenbleiben!
Kurz darauf haben wir den aus Wellblechhütten bestehenden trostlosen Ort Ounianga erreicht. Hier ist Hamid zu Hause, und er kennt sich aus. Unser erster Weg führt zum Haus des Landrates und damit kommt wahrlich eine Lawine ins Rollen!
Innerhalb von zehn Minuten ist der Präfekt, oberster Chef des gesamten Landstriches und dem Präsidenten direkt unterstellt, zur Stelle. Wir fahren zur Präfektur, zu der auch die obersten Militärs sofort beordert werden, Lutz und Hassan berichten von dem Vorfall. Wir warten in den Autos, heftige Wortwechsel dringen aus dem Inneren des Gebäudes.
Es ist schon dunkel, als wir in einem benachbarten Fort untergebracht werden, hier sind wir geschützt, wird uns versichert.
Hamid lässt es sich nicht nehmen, noch einmal schnell ins Dorf zu fahren, um für uns alle Bier zu holen, der Rest der Crew legt sich sofort zum Schlafen nieder, und bei aufgeregten Diskussionen beenden wir diesen Tag. Lutz dankt uns, dass wir uns alle so großartig verhalten haben, leicht hätte da etwas schief laufen können, wenn einer die Nerven weggeschmissen hätte!

Am nächsten Tag weckt uns zu allem Übel ein heftiger Sandsturm. Der Wind weht so heftig, dass in kürzester Zeit die Zelte innen zentimeterdick eingesandet sind, ein Zelt droht den Abgang zu machen. Wir flüchten in einen leer stehenden Raum und können dort halbwegs geruhsam frühstücken.
Man hat uns versichert, dass wir auf jeden Fall gefahrlos den größten der Wüstenseen Lac Yoa besichtigen können. Als sich der
Sturm langsam legt, starten wir einen kurzen Trip zu dem Felsplateau.
Danach werden wir schon in der Präfektur erwartet, das Land ist in Aufruhr, die Sache wird zum Staatsereignis.
Alle Größen des Landes haben sich in dem schlichten, mit grauen Vorhängen, nur mit Ledersofas und einem Teppich ausgestatteten Raum versammelt, mit weiß wallenden Gewändern oder Militäruniformen, vom Landrat angefangen, die obersten Armeekommandanten, Oberste des Geheimdienstes, Chef der Region, Polizeichef, Staatssicherheitsdienst, Chef der Präsidentengarde, aus dessen Reihen eben dieser Unteroffizier stammt, bis hin zum Präfekten selbst natürlich.
Dieser hält nun eine lange Rede über die Vorkommnisse, so etwas dürfte nicht passieren, obwohl uns Hamid von Übergriffen auf die lokale Bevölkerung berichtet hat. Scheinbar hat dies keiner richtig ernst genommen. Allerdings erscheint die Sache anders, wenn nun Touristen im Spiel sind, baut man doch gerade ein Hotel für die Besichtigung des Weltkulturerbes.
Es folgt eine lange Entschuldigungsrede, die Hassan ins Französische, Lutz ins Englische übersetzt. Man hofft, dass wir dieses Land sonst nur von seiner liebenswürdigen Seite kennengelernt haben und über dieses Ereignis sind alle tief betroffen. Der Schuldige wurde noch in der Nacht verhaftet und wird streng bestraft werden, ein halbes Jahr Gefängnis wurde sofort verordnet, den Rest können wir uns ausmalen. Ein Entschuldigungsbrief von ihm wird verlesen und uns ausgehändigt, dass er ihn nicht selbst geschrieben hat, können wir uns ausrechnen. Das Geld und Hassans Turban werden zurückerstattet, einzig Geris E-Zigarette blieb im Sand verschollen.
Wir sind nun alle Brüder und Schwestern, beendet der Präfekt die Versammlung und großes Händeschütteln ist angesagt. Lutz wird nach unserer Rückkehr noch bei der Botschaft, beim Geheimdienst und beim Tourismus-Minister vorstellig werden müssen.
Jetzt machen wir uns auf die Fahrt ins Dorf, während die Wagen aufgetankt werden, streifen wir zwischen den Läden herum. Inzwischen hat sich unsere Geschichte herumgesprochen und wir werden bedauernd angesprochen, ob es uns wohl sonst im Land gefällt.
Schließlich brechen wir zum Rückzug in den Süden auf, bald erreichen wir wieder die endlose Sandwüste, Dünen aus rötlich braunem Sand rings um uns. Nur hin und wieder ein völlig überladener LKW oder ein einsames Kamel. Kurzzeitig tauchen verstreut schwarze Steine und Platten auf, einige kleinere Felsen, dann wieder das sandige Meer.
Wir kämpfen uns über Anhöhen, bleiben immer wieder stecken und schieben. In den Dünen errichten wir unser Nachtlager, ein fantastischer Sternenhimmel zieht uns ganz in seinen Bann und bald schlafen wir tief und fest.
Die große Sahara weicht nun vollends der Sahelzone. Wir brettern mit beachtlichem Tempo über die Schotter- und Staubstraße und allmählich macht sich die nahe Großstadt bemerkbar, immer öfter sieht man Straßenkinder mit Schüsseln herumziehen und betteln. Selbst verdreckt und verstaubt endet unsere Expedition im Ibis Hotel mit herzlicher Verabschiedung.



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