Reiseberichte


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DIE VERWÜSTUNG EINES PARADIESES

Wie eine Kartoffel schwimmt die im Umfang 18 km messende Insel NAURU im Pazifischen Ozean. Was wir im Vorfeld über sie erfahren, lässt unsere Neugierde erwachen:
Über Jahrtausende hat sich Vogelschiss mit unterirdischem Gestein verbunden und gewaltige Phosphatmengen erzeugt. Nachdem dieser Bodenschatz jahrelang von anderen Staaten geschürft wurde, ging mit der Unabhängigkeit 1968 der Besitz endlich an Nauru über und machte die Insel für einige Zeit zu einem der reichsten Länder der Welt! Allerdings sind die Ressourcen begrenzt, und missglückte Investitionen rückten den Wohlstand bald in die Nähe des Abgrunds.

Bei der Ankunft um 5 Uhr früh finden wir einen knurrigen Beamten vor, der uns zunächst gar nicht einreisen lassen, am liebsten verhaften, möchte. Erst nach viel charmanter Überredungskunst samt Bekundung der Zahlungswilligkeit und der Erwähnung des Namens des Immigrationschefs entlässt er uns brummend, behält aber die Pässe. Inzwischen ist auch der Flieger wieder abgedüst. Geschafft! Schnell verlassen wir das Gebäude, aber da wendet sich das Blatt! Ein Taxi gibt es hier nicht, also schultern wir unsere Rucksäcke und wollen uns auf den Weg zu einem der beiden Hotels aufmachen. Hello, woher kommt ihr denn, spricht uns ein Einheimischer freundlich lächelnd auf Englisch an. Schnell entwickelt sich ein Gespräch und spontan bietet uns Ali an, uns zum Quartier zu bringen. Ich habe im Moment ohnehin nichts zu tun, ich bin hier der Vizepräsident! - uns bleibt der Mund offen!

Nach ein paar Stunden Schlaf treibt es uns gleich hinaus auf Entdeckungsreise. Die Insel ist ein Korallenatoll auf der Spitze eines unterirdisch erloschenen Vulkans. Die Hochterrasse im Landesinneren ist von Hartholzbäumen und Hibiskussträuchern durchzogen, zum Meer abfallend breitet sich niedrig dichte Vegetation aus, dazwischen reiht sich eine Vielfalt an Skurrilität: Einer eigentümlichen Mondlandschaft mit weißrostigen, porösen Kalksteinbrocken, zwischen ihnen ein Labyrinth von Kesseln und tiefen Mulden, gleichen die frischen Abbauplätze. Im weiteren Umkreis weitet sich eine liebliche Lagune, still und verträumt, thronen dicht nebeneinander geisterhaft graue, von Gestrüpp und Lianen überwucherte, bis zu 15 Meter hohe Kalksteinzacken und Pyramiden, die sich bis zur Küste fortsetzen und fantastisch anmutend aus dem Meer ragen. An der Küste finden sich außerdem kolossale Banyan-Bäume, deren haushohe Luftwurzeln wie ein Gerüst den Stamm umhängen.

Unterwegs treffen wir eine Gruppe von Schule schwänzenden Jugendlichen an, die uns begeistert zu den grauenhaften Relikten aus dem Pazifikkrieg führen. Jeden noch so versteckten und verrosteten Panzer und die in die Pinnacles und Erdhügel verborgenen Bunker und Gefängnisse der japanischen Armee haben sie bei ihren Streifzügen aufgespürt. Wir kämpfen uns durch die bizarre Wildnis, reißen uns an dem scharfkantigen Gestein die Hosen auf und hecheln in der staubigen Hitze nach Erfrischung.
Des Weiteren holt uns Ali zu ausgedehnten Rundfahrten ab und präsentiert uns stolz die Phosphatwerke. Hier rinnt unser Geld dahin, meint einer der Arbeiter, während das schotterige Erdmaterial über Förderbänder zu den Kochkesseln und weiter zu den Schiffen für den Abtransport gelangt, und es wird uns versichert, dass noch genug für viele Jahre vorhanden ist. Allerdings bemerken wir auch das durchlöcherte Blechdach und die als Fußwege angelegten, halb durchgebrochenen Bretter in der Halle.
Bei Spaziergängen wird uns dann aber allmählich das ganze Ausmaß der katastrophalen Zustände deutlich: Es gibt nur wenige Häuser, die nicht dem totalen Verfall preisgegeben sind, in den Vorgärten statt Blumen dahinrostende Vehikel, die Stromversorgung ist nur gewährleistet, wer sich einen Generator leisten kann. Die Ernährung beschränkt sich auf den, gottlob noch reichlich vorhandenen, Thunfischbestand und das Dosenkontingent der zahlreichen winzigen Geschäftchen, ausschließlich von Chinesen betrieben. Kein Wunder also, dass diese kleine Insel, prozentuell gesehen, weltweit an erster Stelle mit Diabetes-Patienten steht und sich hier auch die korpulentesten Menschen finden. Natürlich besichtigen wir auch die Diabetes-Klinik und sind entsetzt über Baracken ähnliche Zustände.
Neben dem Fangen und Züchten von Fregattvögeln ist Noddy Hunting eine alte Tradition. Dabei wurden die Laute der Seevögel nachgeahmt und diese dadurch angelockt und in Netzen gefangen. Caruso, der Sohn Alis, möchte uns dies abends vorführen, allerdings werden für die Jagd heutzutage Kassetten-Rekorder verwendet. Anfänglich noch neugierig, vergeht uns aber schnell die Lust nach dieser Art von grausamem Sport, spätestens dann, als auch wir zumindest zum Versuch, einen Vogel zu fangen, überredet werden.

Wie Fäden des Glücks ziehen sich die GILBERTS dahin, umspült vom Ozean, Teil der Inselwelt von KIRIBATI. Don't worry, be happy, scheint die uralte Lebensweisheit der in ihren traditionellen, nach allen Seiten hin offenen Blätterhütten hausenden Insulaner der regenreichsten Insel BUTARITARI zu sein. Es gibt nur ein einziges kleines Lastauto, ansonsten fährt man mit dem Motorroller oder dem Rad. Großzügig werden sie mit allen Arten köstlicher Meeresfrüchte versorgt, Kokosnüsse und Brotfrüchte platschen direkt in ihre Siedlungen, Kürbisse und Taro gedeihen prächtig, Hühner und Schweine wuseln emsig herum, löschen ihren Durst aus mit Regenwasser gefüllten riesigen Muschelschalen.

Wenn man nicht gerade mit der Zubereitung oder der Einnahme der Mahlzeiten beschäftigt ist, döst man in den luftigen Kiaskias oder hält ein Pläuschchen in den Maneabas, den offenen Versammlungshallen, wo die ältesten Männer immer noch das Sagen haben. Kopfschüttelnd nimmt unsere Hausfrau in dem einzigen gemauerten Häuschen auf der Insel zur Kenntnis, dass wir viel zu wenig essen und zu umtriebig sind. Mauri! Where are you going? tönt es bei unseren Inselstreifzügen zu Fuß und per Rad von allen Seiten, schließlich fügen wir uns endlich auch dem dolce far niente und leben mit den locals an der Basis.

Aber die fragwürdigen Güter der westlichen Welt haben ihre Fangarme schon mit sogenannten Versorgungsschiffen ins Schlaraffenland ausgestreckt. Reis kocht sich ja viel schneller als Brotfrüchte, eine Büchse corned beef ist auch im Nu offen. Wenn dann mal eine Ladung nicht rechtzeitig ankommt, wird gleich von drohender Hungersnot gesprochen. Der rührige Bürgermeister der Insel versucht die drohenden Einflüsse zu verhindern und die traditionelle Lebensweise zu erhalten. Doch auch der Wert des Geldes sickert nach und nach durch und treibt so manchen auf das übervölkerte Hauptatoll TARAWA.

Freilich rocken da die öffentlichen Busse in wildem Discofieber dahin, allerdings hält hier auch der Abfall in Form von rostigen, blechernen und gläsernen Überbleibseln, mit denen die Einwohner so gar nicht umzugehen wissen, Kirtag, und wenn dann der brackig faulende Gestank über die schmale Landzunge durch die meist ärmlich elenden Hütten streift, fragt man sich unwillkürlich: Wer hat nun die Leute aus dem Paradies vertrieben?

In wildem Tanz dreht sich der Globus, ein kleiner Junge spielt mit der großen, weiten Welt. Flink saust der Zeigefinger, eben noch im Sandkasten, auf eine Stelle und hält jäh die rotierende Kugel an. Da möchte ich einmal hin! ruft er entzückt, 50 Jahre später ist es dann so weit, wir betreten TUVALU, ehemals Elice Inseln.

Ein Teil des Staates ist das sich wie ein Bandwurm schlängelnde Atoll FUNAFUTI
Bereits in der griechischen Antike gab es die betörende Vorstellung von den Glückseligen Inseln. Die Ungeheuerlichkeiten, die man jedoch in der Südsee an harmlosen Insulanern begangen hat und noch begeht, sind fast unglaublich!

Die ersten Besucher der Inseln, nach den Forschungsreisen im 18. und 19.Jh., waren Walfänger und Sandelholzhändler, allesamt Gesindel, die den gastfreundlichen Bewohnern mit äußerster Brutalität entgegentraten, gefolgt von den betrügerischen Kopra-Kaufleuten und schließlich den Sklaven Rekrutierern, denen sich einzig die Missionare entgegensetzten.

Fanny Stevenson, Gattin des berühmten Schriftstellers, beschreibt dies anschaulich in ihrem Tagebuch während ihrer Schiffsreisen durch die Südsee:

1886 gingen zwei amerikanische Schiffe unter peruanischer Flagge vor der Insel vor Anker und verteilten rechts und links Geschenke an alle, die kamen, um sie in Empfang zu nehmen. Die Leute waren natürlich entzückt, und als sie den Vorschlag hörten, dass alle, die es wünschten, nach Peru kommen sollten, um von diesen netten Menschen unterrichtet zu werden, drängten sie scharenweise in die Boote. Der König, darauf bedacht, so viele wie möglich an dem unverhofften Glück teilhaben zu lassen, blies in sein Horn, was ein königlicher Befehl war. Die verbliebenen Untertanen waren jetzt auf die ganz Jungen und die ganz Alten reduziert. Es braucht nicht eigens erwähnt zu werden, dass die Schiffe Sklavenschiffe waren, und die gefangenen Inselbewohner wurden nie wieder gesehen.
Während des Weltkriegs tobten Schlachten zwischen Japanern und Amerikanern, ganze Inseln wurden umgesiedelt, um auf ihrem Grund und Boden Landebahnen aus Tonnen lebender Korallen bauen zu können.

Nachdem auch die Atomversuche ihre Spuren hinterlassen haben, ist nun der allerschlimmste Angriff im Gange: Durch das Ansteigen des Meeresspiegels werden in baldiger Zukunft etliche Inseln am surrenden Globus ausradiert sein, und Funafuti ist eine davon!
Die nur wenige Meter breite Hauptinsel Fongafale wird schmäler und schmäler, jedes Jahr toben die Wirbelstürme heftiger, die Straße wird regelmäßig überflutet. Dessen ungeachtet werden auch hier die Konsumgüter mit Containern angeschleppt, ohne sich um die Entsorgung des Mülls und Schrotts zu kümmern, Grundwasser wird mit Chemikalien verseucht, was das Umweltdesaster nun endgültig zum Platzen bringt. Kilometerlang zieht sich die Müllhalde vom Nordzipfel weg, verursacht bestialischen Gestank, und macht auch zwischen den Häusern nicht halt. Bei den Bewohnern scheint sich diesbezüglich die Unbekümmertheit mit - eh scho ois wuascht - zu mischen. Nur wenige kämpfen mit hübschen Häusern und netten Gärten gegen das sich mit Unrat füllende Atoll.

Da hilft auch der scheinbar brillante Einfall, den landeseigenen Internet-Domainnamen TV für gutes Geld an Fernsehanstalten verkauft zu haben, nichts, außer man setzt sich damit nach Neuseeland oder Australien ab.
Die Ausharrenden frönen dem Gleichmut und sind ein fröhliches und geselliges Völkchen. Zwar besteht der Hausrat meistens nur aus wenigen Töpfen und Schüsseln, geschlafen wird auf Matten am Fußboden, aber größter Wert wird auf tiptop Kleidung gelegt, die Anzahl schicker Klamotten würde bei uns so manchen Kasten sprengen. Die Probleme werden in einem völlig anderen Rahmen gesehen, wie man einer Lokalzeitung entnehmen kann:
Civil servants...tend to make a habit of going to the Terminal to see
who is coming in by plane, thus leaving their offices empty and customers waiting to be served..

Das Flugfeld ist im Übrigen zentraler Punkt des Insellebens. Gleich neben der Ankunftshütte befindet sich das Parlament in Form einer luftigen Maneaba, auf der gesamten anderen Längsseite reihen sich die Schweineställe, und kaum sind die Flieger vom International Airport entfleucht, werden Fußballtore und Volleyballnetze aufgestellt und es tummeln sich Sportbegeisterte und Spaziergänger, Picknicks werden veranstaltet, und in der Nacht verwandelt sich die Rollbahn gar zu einem einzig großen Schlafplatz, da der Wind optimal durchstreift und auch die lästigen Moskitogeschwader vertreibt.

Auch bei unserer Ankunft gibt es das übliche Gewusel und einer der Angestellten aus dem nahen Gebäude des Government erklärt sich sofort bereit, uns zu unserem Guesthouse zu bringen. Was ist denn aus eurem Fritzl geworden, fragt er uns unterwegs, als er hört, dass wir aus Österreich kommen. Nun ja, wir haben halt auch so unsere Probleme!

Wir werden in einem privaten Haus mit mehreren Räumen untergebracht, sogar Möbelstücke sind vorhanden. Vom Wohnzimmer aus gelangt man durch den Garten gleich zur Lagune, hier allerdings zum Schwimmen nicht empfehlenswert, im hinteren Bereich könnte man vom Schlafzimmer in den heftig anbrandenden Ozean springen, man kann sich also gut vorstellen, dass einem das Wasser manchmal bis zum Hals steht!

Mit einem Moped sausen wir bald die Insel auf und ab, und da wir als Touristen den Status Seltenheitswert besitzen, sind wir in kurzer Zeit allerorts bekannt, kein Einkauf oder sonntäglicher Kirchgang bleibt unbemerkt.

Die in vielfältigen Blau- und Grüntönen schimmernde Lagune umkreisen wir mit einem kleinen Fischerboot auf der Innenseite des riesigen Atollgürtels. Putzig anzusehen sind die noch herausragenden winzigen Inselchen, auf denen manchmal nur eine einzige Palme allem zum Trotz, keck und selbstbewusst ihren Fächerkranz in den Äther reckt.
An einem herrlichen, mit fein zerriebenen weiß-rosa Korallensternchen bedeckten Strand lassen wir uns eine Weile nieder und schnorcheln im glasklaren Wasser, auf einer anderen Insel besuchen wir die wie Robinson Crusoe in völliger Abgeschiedenheit lebenden zehn Familien. Gewaltige Mantas und fliegende Fische begleiten uns beim Wellenritt heimwärts.
Abends führen wir lange Gespräche mit unserer Hausfrau Emily, die mit viel Energie in diversen workshops einen Bewusstseinsprozess für Umwelt und Gesundheit - die Hälfte der Bevölkerung hat auch hier Probleme mit Übergewicht und Diabetes - wachzurütteln versucht.



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