Reiseberichte


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TROMMELN, MAGIE UND VOODOO

Dass wir gerade zur heißesten Zeit die Sahelzone durchstreifen, hat sich aus verschiedenen Umständen ergeben, aber vielleicht ist es gerade die beste Möglichkeit Land und Leute am intensivsten zu erleben und es gibt einen riesigen Vorteil, kaum Moskitos! Zugegeben, es schmerzt noch, als wir frühmorgens ohne Räder von Dakar aufbrechen, aber nicht lange! In weiterer Folge war es die richtige Entscheidung, denn wir werden später mit Durchschnittstemperaturen von 46 Grad zu kämpfen haben!
Nachdem wir eine Weile gewartet haben, bis das Taxi brousse endlich zum Bersten voll und abfahrbereit ist, stecken wir über zwei Stunden im Stau. Immer wieder bieten uns Händler alle möglichen Waren durchs Fenster an, Kinder strecken bettelnd ihre Hände herein, das Elend in den Slums der Vororte lässt einen erschaudern.
Besser wird es, als wir auf freier Strecke endlich ländliche Gebiete erreichen, allerdings gleicht die Straße quer durchs Innere des Senegal zunehmend einem löchrigen Emmentaler. Unser Taxifahrer folgt erst noch gekonnt einem Zick Zack - Kurs, weicht aber bald auf Sandpisten aus, was uns in den Genuss bringt, die von Laubbäumchen und hohem semmelblondem Gras umgebenen winzigen, in sich geschlossenen Lehm- und Strohgehöfte, eingebettet in die anmutige Savannenlandschaft, aus der Nähe zu betrachten. In der Ferne hören wir die Lastwagen dahin kriechen und in die Löcher donnern, alle paar hundert Meter liegt einer mit gebrochener Achse am Straßenrand.
Bei Dunkelheit erreichen wir Tambacounda, in den Straßen und im Hotel auch alles finster, üblicher Stromausfall! Traulich flackernder Kerzenschein und warmes Petroleum-Licht erleuchten noch einige Verkaufsbuden, viele haben sich davor schon zur Ruhe gelegt.
Nach dem Frühstück warten wir bei sengender Hitze unter dem Vordach einer Imbissbude auf die Befüllung des Sammeltaxis. Kreischende Musik dröhnt von allen Seiten über den Platz, ranziger Geruch von Popcorn und Gebratenem zieht durch unsere Nasen, zahllose Mäuschen huschen um unsere Füße. Gegen Mittag platzt uns endgültig der Kragen und wir zahlen für die restlichen zwei leeren Plätze auf, was von den Mitreisenden dankbar aufgenommen wird. Die Karre ist in einem grottenschlechten Zustand, extrem langsam, die Sitzbänke scheinen aus Stein gemeißelt zu sein.

Der Grenzort Kidira besteht aus ein paar Lehmhüttchen, die von Affen belagert werden. In einer Baracke empfangen uns zwei Beamte, einer schreibt unsere Daten in ein dickes Buch, der andere lässt inzwischen gelangweilt, mit den Füßen am Holztisch, den Kuli zwischen seinen Fingern rotieren, was die umschwirrenden Fliegen wenig beeindruckt. Nachdem der Ausreisestempel endlich in unseren Pässen prangt, überqueren wir den Fluss Faleme und reisen in MALI ein.
Doch die Bürokratie gestaltet sich zunächst etwas schwierig, denn ein Gendarmerie-Posten ist in dem kleinen Grenzdorf nirgends zu finden. Einer im Dorf führt uns schließlich etwas außerhalb in einen schattigen Garten. Hier frönt das diensthabende Organ der Siesta. Seufzend erhebt sich einer von seiner Pritsche, um uns den Einreisestempel in den Pass zu pfeffern. Das kostet aber eine Kleinigkeit, das sehen wir ein, schließlich rinnt ihm nun genauso der Schweiß übers Gesicht wie uns.

Die anschließende Fahrt im vollgepferchten Taxi brousse nach Kayes, im Reiseführer als heißester Ort angeführt, bringt uns an den Rand eines Hitzekollers! Noch dazu finden wir kein vernünftiges Quartier und landen schließlich in einem Stundenhotel, immerhin sauber und wir dürfen sogar den Computer benützen!
Viele Schatten spendende Bäume verleihen der pulsierenden und verhältnismäßig sauberen Hauptstadt Bamako, am Nigerstrom gelegen, afrikanischen Charme. In einem der kleinen rotsandigen Gässchen lebt Drissa Kone, ein in Europa bekannter Trommelkünstler. Einen Vormittag lang kommen wir in den Genuss seines Unterrichts, bis unsere Hände von Bass und Opens ermüden.

Gott sei dank geraten wir nicht in die jährlich stattfindende Schlammschlacht in Djenne, die dazu dient, der weltberühmten Moschee neuen Verputz angedeihen zu lassen. Allein, der Weg in das entzückende, in mittelalterlicher Lehmbauweise errichtete Städtchen gestaltete sich als Materialschlacht, die ausgebeulte, nur mehr aus Grundbestandteilen zusammengehaltene Blechschüssel muss unterwegs mehrmals repariert werden und wir übersetzen gerade noch mit der letzten Fähre den Bani. Mit einem Pferdewagen traben wir in ein nahes Dorf und erhalten Einblick in familiäre und gesellschaftliche Traditionen.
Nach Mopti, einer quirligen Hafenstadt, in der Niger und Bani zusammenfließen, wird die karge Landschaft zunehmend abwechslungsreicher: Hügeln, ausgetrocknete Flussbetten und Felsplateaus, die uns zur Falaise, ein steiler, 300m hoher, 140km langgezogener Felsabbruch, leiten - wir sind im Land der Dogon!

Wie Nester kleben die mit rundlichen strohgedeckten Speichern versehenen Lehmdörfer in den Felsen, durch schmale Pfade miteinander verbunden. Weit oben in der Felswand Höhlen, zu denen man nur mit Hilfe von Seilen hinauflangt, einst Behausungen der Telem, einem Pygmäen-Volk, nun mehr als Grabstätten und Aufbewahrungsort für Kultgegenstände benützt.
Die rätselhaften astronomischen Kenntnisse und ihr hochentwickeltes mystisches Weltbild haben den Dogon weltweit Aufmerksamkeit beschert.
Trotzdem haben sie ihr einfaches, von traditionellen Riten geprägtes Leben bewahrt, zentrale Bedeutung hat die Harmonie der kosmischen Kräfte und die Ahnenverehrung, Prophezeiungen werden mit Hilfe des Wüstenfuchses durchgeführt.

Rechtzeitig zu Geris Geburtstag brechen wir, zusammen mit Valerie, einer Kanadierin, und Guide Mamadou zu einer viertägigen Wanderung von Dorf zu Dorf auf. Frühmorgens und am späten Nachmittag ziehen wir vorbei an den als heilig geltenden bulligen Baobas, erleben Tanzzeremonien und beobachten Männer in der casa palabra, ein von niedrigen Steinsäulen getragenes Dach. Hier werden Zwistigkeiten ausdiskutiert. Wer im Zorn aufspringt, schlägt sich nicht nur den Kopf an, er muss auch der Gemeinschaft ein Tier opfern. Nachahmenswert!
Der mörderischen Mittagshitze entgehen wir nur auf luftigen Dachterrassen, wo wir auch auf Matten nächtigen. Noch bis in die frühen Morgenstunden legt sich drückender Dunst über uns, und wird von kühleren Windlüftchen, vermischt mit brandigem Geruch, abgelöst. Kostbar ist jeder Tropfen Wasser, muss es doch von den Frauen jeden Morgen aus dem Brunnen in der Ebene geholt werden. Scheinbar mühelos balancieren sie riesige Bottiche und Kübeln auf den Köpfen den steilen Hang empor.

Über sandige Pisten gelangen wir mit einem Taxi brousse, drei Stunden Fahrt für 90km, Sitzplatz auf einem über den Motorblock gelegten Holzbrett, Kampf um jeden Zentimeter Auflage für den Allerwertesten, dankbar für jede der zahlreichen Reifenpannen, da Streckung der verkrümmten Glieder - nach BURKINA FASO
und in weiterer Folge in die Hauptstadt Ouagadougou.
Freitag, 8 Uhr früh: Die Staatsoberhäupter aller Nationen treten an der Hinterseite eines Amtsgebäudes aus einer kleinen Tür und empfangen ihre Repräsentanten, die in einem kurzen Gespräch für Friedensverhandlungen statt des geplanten Krieges überzeugen. Utopie? So gesehen bei der Audienz des Kaisers der Mossi, ein noch immer einflussreicher Mann! Das seit Jahrhunderten, wöchentlich stattfindende Schauspiel der Mossi möge vielleicht einige der Kriegslüsternen zum Nachdenken anregen!

Wüstensand, Dornengestrüpp, Büsche, vereinzelt Bäume waren bis jetzt unsere Wegbegleiter, nun wird die Landschaft allmählich üppiger. Hügelketten, kleine Seen und Flüsse, Palmen begrüßen uns im BENIN. Rundhütten wechseln immer häufiger mit kleinen eckigen Lehmhäuschen.
Mit Motorrädern brausen wir in das Gebiet der Sombas, die bis heute individuelle Unabhängigkeit bewahrt haben, noch immer mit Pfeil und Bogen jagen und erst seit 30 Jahren Kleidung akzeptieren. Ein entzückender Anblick die vielen Trutzburgen! Wir dürfen einige besichtigen und fühlen uns im Nu in eine andere Zeit versetzt. Über Baumstammleitern gelangt man im Inneren vom Küchenraum mit Feuerstelle zu den Dachterrassen und Schlafkojen. Unterwegs machen wir es wie alle hier, legen uns unter einen riesigen Schatten spendenden Mangobaum und schlagen uns die Bäuche mit den köstlichen Früchten voll.
Heute finden Gemeinderatswahlen statt, wir fotografieren, natürlich nach Einholen der Erlaubnis, eine der kleinen Versammlungen. Einem ist das nicht so ganz recht, die Menge beruhigt ihn. Schmollend murmelt er etwas von einem Bonbon, einige glucksen. Da zieht Sylvi tatsächlich ein Zitronen-Drop aus der Tasche und überreicht es ihm feierlich. Nun brüllt alles vor Lachen und wählt hoffentlich den Richtigen!

Es zieht uns weiter südlich, Richtung Atlantik, Zentrum des Voodoo, verunglimpft durch Hollywood, offizielle Religion im Benin, allerorts mit großer Selbstverständlichkeit praktiziert. In Abomey werden wir in das Haus eines Fetischpriesters eingeladen. Er erklärt uns einige der unzähligen Fetische, meist Holz- oder Steinfiguren und andere Gebilde, über die der Fetischeur Kontakt zu den Geistern aufnimmt, um Gesundheit, Glück und Reichtum für den Kunden zu erwirken.
Die für die Zeremonie erforderlichen Opfergaben sind am Fetischmarkt erhältlich und werden dort auf Rezept, quasi wie Pillen in der Apotheke, eingekauft. Wir begeben uns natürlich auch dorthin, aber Geri wendet sich schon bald mit Grauen! Alle erdenklichen präparierten Tierköpfe und Kadaver, dazwischen Amulette, Besen, Rasseln - wir verzichten gnädig darauf, näher auf die sich dahinziehenden Gerüche einzugehen! Würdevoll schreitet eine vor sich hinmurmelnde Priesterin durch den Markt, hinter ihr eilend eine Kundin, vollbepackt mit leckeren Ingredienzien.
Interessant der anschließende Rundgang durch die verfallenen Paläste und Tempel der einst mächtigen Dahomey Könige. Fast sind wir froh, dass das Museum wegen Streiks geschlossen ist, denn es ist unerträglich schwül. Allerdings hätte der Anblick eines auf Schädelknochen errichteten Throns den Tag noch abgerundet.
In der Nacht prasselt dann das erste Tropengewitter auf uns hernieder!
Vor zwei Monaten sind wir aufgebrochen! Nun haben wir Grand Popo an der Küste erreicht! Zwei Traumtage in einem Bungalow am Sandstrand sind angesagt.
In Ouida vollziehen wir einen der traurigsten Märsche der Vergangenheit nach: Die Route der Sklaven bis zum Tor ohne Wiederkehr!

Wieder überschreiten wir eine Grenze - nach TOGO. Nur kurz verweilen wir am idyllischen Lac Togo und unternehmen dann eine Pirogen-Fahrt ins historische Voodoo Dörfchen Togoville, danach ziehen wir in die an der Küste gelegene Hauptstadt Lome. Kurz dauert hier der Rundgang, denn allmählich geht uns das unglaubliche Gedränge und Geschiebe und der Höllenlärm von hupenden, kreischenden, schrillenden Gefährten, überlaut plärrenden Transistorradios in jeder Klein- und Großstadt doch reichlich auf die Nerven!
Uns zieht es in die Natur, wieder nordwärts, nämlich zum höchsten Berg Togos, Mount Agou. Schweißtreibend der steile Aufstieg auf 986m, aber einzigartig die Kulisse! Wir wandern zwischen üppigen Mango-, Avocado- und Orangenbäumen, Bananen-und Kokosnussstauden, auf dichtbewachsenen Dschungelpfaden, durch idyllische Bergdörfer, fantastische Ausblicke auf die weite, grüne Landschaft.



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