Bergabenteuer


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Letzter Bericht vor dem Start der Expedition

Namche Bazar, 27.03.2006

Langsam wird es ernst. Am 29. März wird die Gruppe von Alpine Ascents mit dem Helikopter nach Syangpoche, dem Flugfeld oberhalb von Namche Bazar, fliegen. Ja, ich spüre schon ein bisschen die Aufregung aus der Magengrube hoch kriechen.

Es ist wohl vor allem die Spannung – wer und wie sind die Menschen, mit denen ich die nächsten zweieinhalb Monate verbringen werde. Die Aktivitäten innerhalb der Expedition werden während der nächsten zwei Wochen kaum Anlass für Aufregung geben. Da wird es noch eher gemütlich zugehen.

Vermutlich ist dieser letzte Bericht vor der Expedition der geeignete Platz, einmal zu erklären, wie so eine 8000er-Expedition abläuft. Allen, die noch nicht dünne Höhenluft geschnuppert haben, wird wohl das Verständnis dafür fehlen, dass wir mehr als zwei Monate für diesen Berg benötigen, und uns womöglich dann noch für dieses Schneckentempo als “Helden” feiern lassen.

Wie soll das nun ablaufen?

Ende März startet die Expedition in Namche Bazar, dem Hauptort des Sherpa-Volkes, auf 3440 Metern Seehöhe. 11-13 Tage werden wir benötigen, um in das 5350 Meter hoch gelegene Everest-Basislager zu gelangen. Das ist etwa die doppelte Zeit, die durchschnittliche, oft wenig trainierte Trekker für diese Strecke benötigen. Wenn wir uns mal im Basislager eingerichtet haben, bleiben wir dort für 5-7 Tage ohne große Aktivitäten, ehe wir uns an den Berg heranwagen. Das hört sich ziemlich nach einem Ausflug eines Pensionistenheims an.

Warum benötigen wir doppelt so lange wie durchschnittliche Trekker? Der Trekker schläft 1-2 Nächte über 5000m, meist in Gorak Shep auf 5100m, besteigt den Kala Pattar (5545m) und besucht vielleicht in einem Tagesausflug von Gorak Shep aus das Basislager. Das heißt, die Trekker müssen nicht auf 5350m und höher mehrere Wochen leben, und das macht den grossen Unterschied. Auch die Trekker müssen sich an Höhen von über 5000m anpassen. Man könnte Namche – Gorak Shep in 2-3 Tagen machen, aber die Anpassung muss nicht so behutsam sein, dass man dann etliche Wochen in großen Höhen verbringen kann. Angeblich würde es kein Mensch überleben, sollte er versuchen, auf Basislger-Höhe dauerhaft zu wohnen. Nun, diese gemütliche und langsame Wanderung durch das Sherpa-Gebiet wird sicher genuss- und abwechslungsreich. Wir werden in den Dörfern der Sherpa leben. Sherpa ist der Name des Volkes, das in der Everest-Region lebt. Wir werden buddhistische Klöster besuchen und die großartige Bergwelt genießen. Die anschließende etwa einwöchige Ruhezeit im Basislager werden wir aktiv verbringen, mit Wanderungen, mit Vorbereitungen für den Aufstieg – Rumhängen fördert nicht wirklich die Anpassung.

Wir werden auf der Route der Erstbesteiger, Edmund Hillary und Tenzing Norgay, aufsteigen. Diese hatten 10 Lager am Berg, Basislager + Lager I-IX. Wir werden nur fünf Lager am Berg errichten – das Basislager (5350m), das Lager I (5950m), das Lager II (6500m), das Lager III (7300m) und das Lager IV (7960m). Niemand darf sich vorstellen, dass an den Lagerplätzen irgendwelche Infrastruktur wie Hütten oder ähnliches existieren. Die Lagerplätze sind einfach günstige Plätze, wo man seine Zelte aufstellen kann.

Dem knapp zweiwöchigen Marsch ins Basislager und der folgenden Ruhewoche im Basislager folgt der erste Aufstieg am Berg. Wir wollen zwei Nächte in Lager I und zwei bis drei in Lager II verbringen. Danach geht es wieder zurück ins Basislager – danach etwa eine Woche Pause.

Danach kommt der zweite Aufstieg am Berg. Diesmal soll auch zumindest eine Nacht in Lager III verbracht werden. Dort sind wir bereits auf 7350m und es sind nur noch 1500m zum Gipfel, aber das hilft alles nichts – wieder zurück ins Basislager! Und nicht nur das! Unsere Expedition wird dann bis in das Sherpa-Dorf Deboche in 3700m Höhe absteigen – dort wo es bereits Vegetation gibt, wo man ”dicke” Luft atmen kann und wo man auch ein Bier trinken kann. Einige Tage relaxen, dann Rückkehr ins Basislager – die Gesamtdauer des Ausflugs “in die Tiefe” wird etwa 8 Tage betragen.

Und dann heißt es auf einen günstigen Wetterbericht warten – der Everest ist nur an wenigen Tagen im Jahr besteigbar. nämlich nach dem Nachlassen der Jetstreams irgendwann im Mai und vor dem Eintreffen des Monsuns, Ende Mai/Anfang Juni. Sobald die Meteorologen grünes Licht geben, wollen wir in 8-10 Tagen, das ist der Idealfall, vom Basislager zum Gipfel gelangen und wieder zurück. Im Notfall können wir einige Tage in Lager II warten. Weiter oben ist ein solches Warten für den Körper unmöglich, ohne dass dieser völlig kraftlos wird. Ab dem letzten Lager auf knapp 8000m wollen wir unsere Atmung mit künstlichen Sauerstoff unterstützen. Die wirklich guten Bergsteiger, ca. 40 Sherpa und 40 Bergsteiger aus dem Rest der Welt, haben den Everest schon ohne Zuhilfenahme von künstlichen Sauerstoff geschafft, erstmals 1978 Reinhold Messner und Peter Habeler. Mit diesen Spitzenleuten wage ich mich allerdings nicht zu vergleichen.

Die Rückkehr vom Basislager nach Kathmandu dauert im allgemeinen weniger als eine Woche.







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