Bergabenteuer


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Bis ans Ende aller Straßen

Jiri, 16.02.2006

In meinem vorletzten Bericht habe ich geschrieben: Ausgerollt - nach 7871 km! Das war emotional richtig, denn Kathmandu war für fast vier Monate mein großes Ziel gewesen. Aber ganz richtig war es nicht. Da fehlten ja noch die knapp 200 Kilometer nach Jiri, wo die Straße endet und der Fußweg über die Berge bis ins Everest-Gebiet beginnt.

Am Sonntag, den 12.2. brach ich auf zum letzten Teil meiner Radtour. Valentin begleitete mich an diesem Tag. Es war eine gemütliche Fahrt durch eine großartige Terrassenlandschaft mit einer gewaltigen Abfahrt von Dhulikel auf 1600m hinunter nach Dholghat auf 700m, dann wieder leicht aufwärts bis Khadichaur, einem Straßendorf, das vorwiegend als Bus-Stop dient. Wir finden eine einfache Unterkunft.

In Khadichaur an der Straße nach Tibet zweigt die berühmte Bergstraße nach Jiri ab, der schwerste Teil meiner 8000km langen Radtour. Valentin kehrt nach Kathmandu zurück, denn sein geliehenes Rad ist nicht gemacht für derartige Anstiege. Eine eindrucksvolle, einspurige Bergstraße mit extrem löchrigen Asphalt! Es geht zuerst 33 km stetig hinauf mit durchschnittlich 6,2% Steigung, von 750m hinauf auf 2700m. Dort oben ist es schon richtig kalt, aber mir ist ganz schön heiß. Da hab ich oft das Rad geschoben - nach fast 8 Stunden erreiche ich den höchsten Punkt. Die letzten 23 Kilometer nach Charikot sind fast durchgehende Abfahrt, jetzt lässt sich die steile Terrassenlandschaft mit den idyllischen Dörfern und den freundlichen Menschen wieder so richtig genießen. Knapp vor der Dunkelheit erreiche ich nach 54 km mit einem Stundenmittel von 7,2 km/h!! Charikot, ein Dorf in 2000m Höhe mit einigen einfachen Unterkünften.

Ich bin gewarnt. Heute erwartet mich in etwa das Gleiche wie gestern. Der Tag beginnt mit einer faszinierenden Abfahrt nach Tamba Khosi, das tief unten im Tal- oder besser am Schluchtgrund auf 860m liegt. Dann beginnt ein 26 km langer Anstieg hinauf auf 2600m, durchschnittlich 7%. Ich brauche es kaum zu erwähnen, dass ich das Rad mehr geschoben als gefahren habe. 13 Kilometer vor Jiri bin ich ziemlich platt, doch dann komme ich um eine Kurve, sehe ein paar Hütten und die Passhöhe. Die letzten 13 km meiner 8000km-Tour sind eine vergnügliche Abfahrt, vorbei an lieblichen Siedlungen mit aggressiven Hunden, die auf die Jagd auf Radfahrer spezialisiert zu sein scheinen, steile Terrassen-Kulturen, blühender Rhododendron. Am 14.2. um 16.40 Uhr rolle ich nun wirklich aus - in Jiri nach 8068 km.

Nun ist die Radtour wirklich zu Ende. Oft bin ich in den Medien als Extremsportler bezeichnet worden. Das bin ich mit Sicherheit nicht, und diese Radtour hatte nichts mit Extremsport zu tun. Ich habe und hatte auch nicht vor, irgendwelche Weltrekorde aufzustellen. Ich habe mir ein mich faszinierendes Ziel gesetzt, und ich werde versuchen, es zu realisieren. Ich will einfach diesen Traum leben, egal wie viele andere es auch oder besser machen. Andere machen solche Radtouren auch, wenn es auch nicht viele sind. Viel mehr könnten es tun, wenn sie bereit wären, sich auf die Ungewissheiten und Unsicherheiten einer solchen Reise einzulassen. Es war eine wunderbare Genusstour eines Hobbysportlers, ein tolles Abenteuer in der Begegnung mit vielfältigen Volksgruppen, faszinierender Natur und Kultur und teils extrem einfachen Lebensverhältnissen. Zufällig bin ich Diabetiker. Ich habe eine Menge an Erfahrungen gesammelt, wie man mit seinem Diabetes unter solchen Lebensbedingungen umgeht. Ich werde später diese Erfahrungen niederschreiben, vielleicht sind manche auch für andere Diabetiker hilfreich. Mit Sicherheit hatte ich in diesen vier Monaten gute Blutzuckerwerte– das liegt wohl auch an der konstanten sportlichen Betätigung.

Eines war allerdings doch sensationell an dieser Tour – mein Rad. Nur zweimal musste ich den Schlauch meines Hinterrades kleben, einmal den Schlauch wechseln, sonst NICHTS! Ich habe noch nie einen Langzeit-Radfahrer getroffen, der so wenige Probleme mit seinem Rad hatte. Hier mein Dank an Wolfgang Fuchs aus Mank in Niederosterreich. Er hat das Rad für meine Tour ausgewählt, in langen Gesprächen speziell an meine Bedürfnisse angepasst, und zudem mir alle Komponenten erklärt.

In Jiri auf 1950m Seehöhe gibt es eine Menge Lodges, doch neben mir nur einen zweiten Touristen. Die Menschen sind verzweifelt, war doch lange der Tourismus hier die Haupteinnahmequelle. Die zahlreichen Medienberichte, die Nepal als gefährliches Reiseland darstellen auf Grund des Konflikts zwischen dem König, der entmachteten 7- Parteien-Koalition und den Maoisten hält die Touristen, welche 65% der Einnahmen Nepals einbringen, ab, das Land zu bereisen. Ich habe mich trotz Kenntnis der politischen Spannungen noch nie unsicher in Nepal gefühlt. Einmal mehr die Erkenntnis, dass Medienberichte großen Einfluss auf die Ängste der Menschen haben, die bei genauerer Betrachtung unbegründet sind (vgl. meine Berichte über Türkisch- Kurdistan, Iran, Pakistan).

Nun soll der Fußweg von Jiri nach Namche Basar, wo die Expedition eintreffen wird, beginnen. Es soll eine wunderschöne, gut einwöchige Wanderung sein. Valentin wird mich einen großen Teil des Weges begleiten, ehe er sich vom kleinen Flughafen Lukla in den Bergen auf den Heimflug nach Österreich machen muss.

Tagesetappen:
12.2. Kathmandu - Khadichaur: 82,6, km
13.2. Khadichaur - Charikot: 56,0 km
14.2. Charikot - Jiri: 59,0 km
15.2. Ruhetag
16.2. Ruhetag

Blutzuckerwerte Tagesschnitt:
Durchschittlich 3,4 Messungen pro Tag:
12.2. 134 mg/dl
13.2. 127 mg/dl
14.2. 158 mg/dl
15.2. 103 mg/dl
16.2. 116 mg/dl



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