Reiseberichte
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DIE BESTEN LÄUFER DER WELT
Wieder zurück in Antsirabe, nehmen wir uns diesmal etwas mehr Zeit für das überaus nette Städtchen, borgen uns Räder aus und radeln zum Lac Andraikiba, ein kreisrunder Kratersee, der zum Trinkwasserreservoir erklärt wurde. Eine holprige, mit vielen Steinen zersetzte Lehmpiste führt durch winzige Ansiedlungen und Felder bis zum Dorf Belazzao, am Fuß des Vulkans Tritriva, öfter treffen wir auf schwer beladene Ochsenkarren oder hölzerne Handwagen, die von Menschen geschoben und gezogen werden.
Der See im Inneren des Vulkans ist mit vielen Fadys belegt, sie sind vergleichbar mit dem polynesischen Tabu, ein Netz aus Verboten und Geboten, welche das soziale Leben der Familien oder des Dorfes bestimmen.
Nach der Vorstellung der Madagassen ist die Natur von den vielfältigsten guten und bösen Geistern belebt, sie wohnen im Menschen, in Tieren, Pflanzen oder auch in den Gebeinen der Verstorbenen.
Medizinmänner haben ein umfangreiches Wissen über die Heilkraft von Pflanzen und holen auch die Unterstützung der Ahnen bei einem Heilungsprozess ein. Wahrsager und Zauberer benutzen bunte Perlen, Steine und andere Gegenstände als Amulette für unterschiedliche Wirkweisen.
Wir zahlen eine geringe Eintrittsgebühr und schieben unsere Räder auf eine Anhöhe, begleitet von einer Schar Kinder, alle begierig uns geschliffene Steine oder geflochtene Hüte zu verkaufen oder auf unsere Räder aufzupassen. Schließlich entscheiden wir uns für einen Burschen als Wächter und steigen zu dem bei einer Eruption entstandenen und von steilen Abhängen umgebenen, blaugrün schimmernden Kratersee 150m ab. Obwohl die Sonne scheint, weht ein kühler Wind, wir befinden uns immerhin auf einer Höhe von 1800m.
Nach einer Weile treten wir die Rückfahrt an, die letzten Meter in die Stadt müssen wir steil bergauf schieben. Während wir jedoch keuchend dahin stapfen, ziehen Pousse Pousse Läufer flotten Schrittes oft ganze Familien in ihren Holzwagen den Hang hinauf oder stemmen ihr Gewicht beim Abwärtsfahren gegen die Last. Sie sind wohl die ärmsten Teufel, obwohl sie am härtesten arbeiten! Bloßfüßig laufen sie jede noch so weite Strecke, ihr Tageslohn beträgt weniger als zwei Euro! Glücklich sind sie, wenn auch wir ihre Dienste in Anspruch nehmen, versuchen während der Fahrt auch noch mit uns zu plaudern – nur wir fühlen uns so gar nicht wohl dabei!
Unsere Route führt uns schließlich wieder mit einem Taxi Brousse nach Tana zurück. Für uns hat man die vorderste Reihe reserviert, gleich neben dem Chauffeur, ob es für uns ein Vorteil ist, ist fraglich, aber auf jeden Fall ein Glückstreffer für ihn, wie sich bald herausstellt. Denn gleich bei der ersten Polizeikontrolle recken wir natürlich unsere Hälse in Richtung Mäppchen, wir wollen endlich wissen, wie viele Geldscheine da rüberwandern. Zögernd ergreift der Hüter des Gesetzes die Papiere, wirft einen Blick auf uns Touris und reicht die geschlossene Mappe gleich wieder zurück, offenbar ist ihm das Risiko zu hoch. Mit diebischer Freude beobachten wir die enttäuschten Gesichter in Uniform. Nein Burschen, heute wird’s nix mit Dazuverdienen! Grinsend düst unser Fahrer weiter und teilt den Erfolg auch den anderen mit, was sofort Jubel hervorruft!
Wenn man das Ganze genauer betrachtet, gewinnen natürlich alle Beteiligten, denn so beladen wie diese Schrottkarren sind, kann man die Beförderung sowohl von der Personenanzahl her als auch der oft bedenklich aufgetürmten Gepäckstücke am Dach und unter den Sitzen kaum noch als zulässig betrachten, doch dafür wird der Preis auch für alle erst erschwinglich.
Aber trotzdem wird in weiterer Folge nun die Sache zum lustigen Spielchen zwischen dem Fahrer und uns, denn bei jeder Kontrolle beugen wir uns auffällig zum Fenster, beobachten die verunsicherten Mienen der Polizisten, die uns gleich hastig weiter winken, danach klatschen wir uns förmlich in die Hände. Die Stimmung im Buschtaxi hebt sich zunehmend, das Radio plärrt laut gängige Hits und alle trällern vergnügt die Melodien mit. Da fällt auch nicht weiter auf, dass der Rückspiegel irgendwann krachend auf unserem Schoss landet, immerhin steckt das Lenkrad noch am richtigen Platz, und die Bremsen funktionieren hoffentlich!
Zweimal müssen wir noch umsteigen, um weiter in den Norden zu gelangen, die letzten 28 km werden zur Herausforderung, denn schlichtweg ist kein Platz frei, alle sind längst besetzt, und hier quetschen sich ohnehin schon sechs in jeder Reihe! Stehplätze gibt es gar keine, denn zwischen den normalen Sitzen werden zusätzlich Klappen eingehängt. Doch irgendwie wird für uns eine Lücke geschaffen, während noch immer Leute ins randvolle Gefährt drängen: Über 30 Stück, bei nicht einmal der Hälfte der Sitzplätze! Die Tür hinten muss offen bleiben, da hängen an einem Seil noch ein paar am Trittbrett dran. Weil auch noch alle Fenster offen sind, zieht es wie in einem Vogelhaus, überhaupt ist es bitter kalt geworden!
Gott sei Dank dauert die Fahrt nicht lange, obwohl ständig Personen aus- und zusteigen, jedesmal muss natürlich auch das Gepäck vom Dach herunter, Kanister und Säcke werden unter die Sitze geschoben. Wenn man die Beine nicht schnell genug einzieht, sind blaue Flecken unausweichlich.
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