Reiseberichte


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MIT DEM REISEGOTT IM OUTBACK

Am Morgen des 1.Juni werden wir von Suren und Galaa mit einem Jeep abgeholt, holpern einige Zeit auf lausig löchriger Asphaltstraße dahin, bevor wir ins Outback abschwenken und uns in einsamen Gefilden auf Spuren bewegen, die nur unser Fahrer kennt. Herrlich die weiten Matten, in der Ferne lang gezogene wellige Hügelketten, kontrastreich die grünen und schattig graubraunen Flächen mit weiß glitzernden Schneeflecken, fantastische Wolkenformationen ziehen über den azurblauen Himmel.
Überschreiten wir Anhöhen, bietet sich ein überwältigender Blick rundum. Meistens sind da kleine Steinhügel aufgestellt, sogenannte Ovoos, Heiligenstätten und Wohnsitze örtlicher Geister und Gottheiten, mit blauen oder bunten Stoffstreifen behangen und mit Opfergaben angehäuft: Süßigkeiten, eingeklemmte Geldscheine, sogar solar betriebene Gebetsrollen findet man. Wir umrunden solch eine Kultstelle dreimal im Uhrzeigersinn und werfen drei kleine Steinchen mit guten Wünschen dazu, das stimmt angeblich den Reisegott freundlich.
Öfter treffen wir auf riesige Schaf- und Ziegenherden, die neugierig und erstaunt erst im letzten Augenblick Reißaus nehmen. Auch Kühe und Pferde tummeln sich auf dem spärlicher werdenden Gras. Wie herrlich die Mähnen der galoppierenden Pferde im Wind flattern!
Bei einem ausgetrockneten Salzsee schlagen wir unser Nachtlager auf. Doch während wir gerade genüsslich unseren Eintopf verzehren, rast plötzlich eine gewaltige Windhose daher und der Sturm biegt die Zeltstangen bis auf den Boden. Wir haben alle Hände voll zu tun, um davonfliegende Sachen zu retten. Aber so schnell der Angriff erfolgt ist, ist der Spuk auch wieder zu Ende und bald herrscht fast mystische Nachtstille.

Die wenigen Menschen am mongolischen Hochplateau lebten schon immer ausschließlich von Jagd und Viehzucht. Man muss mit den Tieren weiterziehen, wenn man in der Steppe überleben will. Es ist ein hartes Leben mit brütender Hitze und Dürreperioden im kurzen Sommer und Temperaturen bis zu minus 50 Grad in den langen Wintern.
Die Mongolei gilt als eines der zehn rohstoffreichsten Länder der Welt. Tagbaustätten unter Führung ausländischer Firmen und von der Regierung privatisierte Schürf- und Landrechte erregten daher den Zorn der Bevölkerung, der jedoch mit kostenlosen Grundstücken besänftigt wurde. Dadurch angelockt, entstanden ganze Jurten-Viertel vor der Hauptstadt.
Doch neuerdings gibt es Entwürfe für Wohnblöcke, sodass die Leute ihren Grund wieder verlieren würden. Eine Rückkehr zum Nomadenleben scheint kaum möglich, da nicht nur altes Wissen abhanden gekommen ist, sondern auch Graslandschaften und Agrarflächen durch den Raubbau der Minenarbeit zerstört werden.

Wir rattern über zerfurchte Pisten durch zunehmend vegetationsarmes und flaches Schottergebiet, die zarthalmigen Strohbüschel, nur im unteren Bereich noch etwas grün, verstreuen sich immer weiter auseinander. Über mehrere Stunden ist oft keine Menschenseele weit und breit zu sehen, hin und wieder tauchen zweihöckrige Kamele auf oder huschen scheue Wüstenmäuschen umher.
Nur vereinzelt stoßen wir auf die hellen Filzbehausungen, manchmal durchqueren wir auch winzige Ansiedlungen mit gemauerten, weiß getünchten Häuschen. Da gibt es sogar Shops, in denen Süßigkeiten, Alkoholika, aber auch Handys angeboten werden und welch Überraschung, man kann mit Kreditkarte bezahlen! Wie seltsam mutet es daher an, dass es im Dorf jeweils nur eine örtliche Toilette im Abseits gibt, eine Blechhütte, im Inneren zwei Bretter über einer Grube.

Immer wieder faszinierend ist die Farben- und Formenvielfalt der Wüste, der ständige Wandel der Landschaft. Gerade noch erfasste unser Auge das endlose Nichts graubrauner Wellen, heimtückische Wasserspiegelungen am Horizont, dann reihen sich ockerfarbene Sanddünen, aus denen der Saxaul, der Wüstenbaum sprießt. Das weit verzweigte, tief reichende Wurzelnetz des salzresistenten, knorrigen Strauches garantiert auch in den trockensten Zeiten Nahrung.
Schon haben wir auch die Flaming Cliffs erspäht, seltsam geformte rötliche Lehmfelsen inmitten einer Graslandschaft. 1920 wurden da erstmals Dinosaurier-Skelette ausgegraben. Die Sedimentschicht ist 400m dick und enthält eine Vielzahl verschiedener Fossilien, Zeugnisse dafür, dass in der Kreidezeit ein großer Binnensee das Gebiet bedeckte.

Allmählich dringen wir weiter in den Süden vor und geraten in die wild zerklüfteten Berge der östlichen Ausläufer des Gobi-Altais bis auf 2435 m Höhe. Nach einem Spaziergang durch die berühmte Geier-Schlucht auf teils dünnen Eisschollen, übernachten wir bei einem idyllischen Bächlein und haben nun endlich Gelegenheit im klaren, frischen Wasser ein notdürftiges Bad zu nehmen. Das Leben an der Basis, der Kampf mit Wind, Sand und Hitze, hat auch bei uns schon einige Spuren hinterlassen.
Natürlich sind wir auch öfter in Jurten bei befreundeten Familien von Suren eingeladen, da muss mit dem Wasser sparsam umgegangen werden, denn die Brunnen sind meistens weit entfernt. Es sind aber Kühlgeräte, Fernseher und Satellitenschüssel vorhanden, denn Strom wird, wie auch in China, selbst für kleinste Behausungen mittels Solarenergie erzeugt.
Ein besonderes Erlebnis ist die Fahrt durch die Steinwüste, schaurig muten die ausgebleichten Tierschädel am Wegrand an! Am Horizont nehmen wir einen hellen Streifen wahr und je näher wir kommen, desto gewaltiger entwickeln sich die Sanddünen Khongoryn els vor unseren Augen. Sandhügel um Sandhügel fließen in unendlicher Weite ineinander über. Wir stapfen zwischen kargen Dornenbüschen auf gleißendem, ockerfarbenem Geriesel einen Kamm 150m aufwärts und lauschen dem durch das Windspiel hervorgebrachten Gesang der Düne.

Weiter geht es nun in Richtung Norden auf und ab, immer auf einer Höhe um 2000m, zwischen silbrig wogendem Federgras, über steile Wiesenabschnitte mit duftenden Kräuterbüschen und Ausblicken auf in verschiedenen braunen und violetten Tönen schillernde Hügelketten, durch zerklüftete Sandsteinwände, in denen Felszeichnungen und Gräber aus der Altsteinzeit zu finden sind, querfeldein über steinige Abbrüche und durch ausgetrocknete Flussläufe bis zu einer saftig grünen Senke, in der wir auch die ersten Yak-Herden antreffen. Besonders lustig anzusehen sind die Schwarzhaarigen, mit kesser weiß gesträhnter Mähne und Schwanz. Hier bleiben wir allerdings im Schlamm stecken und können erst nach stundenlangem Mühen unsere Fahrt fortsetzen.
Nach Durchqueren eines Nadelwäldchens, bezaubernd durch ein Meer bunter Blumen, vielstimmigem Vogelgesang und würzigem Duft, erwarten wir dann gespannt den sagenumwobenen Orchon-Fluss, eine Holzbrücke mit gewagter Konstruktion aus historischen Zeiten ermöglicht uns die Überfahrt. Es ist die einzige ihrer Art, denn später müssen wir den Weg durch die Fluten nehmen.
Schon von weitem erkennen wir ein in den Gewässern vornüber steckendes Auto, aufgeregte Leute am Ufer rennen wild gestikulierend auf und ab. Offensichtlich hat der Fahrer eine zu tiefe Stelle nicht rechtzeitig erkannt. Suren packt sofort das Abschleppseil aus und steigt ins eiskalte Nass. Zunächst scheint die Lage aussichtslos zu sein, denn das Auto sinkt immer tiefer ab. Doch dann gelingt es ihm mit viel Geschick, das Gefährt Zentimeter um Zentimeter an Land zu hieven, ein Jubelschrei ringsum beendet die geglückte Aktion!

Bei der Weiterfahrt über die Pisten des Hochplateaus entdecken wir geheimnisvolle, längliche Steine, mit eingeritzten Zeichnungen, Verzierungen und Schriften versehen, die in bestimmter Anordnung schräg aus dem Boden ragen. Es gibt verschiedene Theorien über Ursprung und Bedeutung dieser über 4000 Jahre alten Hirschsteine. Die Menschen glaubten an Totem, Ahnentiere, und der Hirsch symbolisierte den Geist des Schöpfers. Daneben liegen verstreut auch noch unzählige andere Zeugnisse frühzeitlicher Kultur.
Nach dem Besuch des vom Mönch Zanzabar selbst ausgewählten Klosters Tövkhönii, malerisch in den Bergen auf einem steilen Felsplateau mit verschiedenen Meditationshöhlen gelegen und von bunten Fahnenketten umgeben, ist natürlich auch die alte Stadt Karakorum unser Ziel. Von Dschingis Khan gegründet entwickelte sie sich zum Umschlagplatz für die großen Karawanen zwischen Europa und Asien. Handwerker, Missionare und Gelehrte aus aller Welt trafen hier zusammen. Das Kloster Erdene Zuu gilt als das erste große Kloster und wichtigstes Zentrum des Buddhismus in der Mongolei.

Am Rande einer verträumten Seenlandschaft, inmitten einer wildromantischen Dünenkette schmiegen sich ein paar Jurten, in denen wir heute zu Gast sind. Hier herrscht ausgelassene Stimmung, ein ständiges Kommen und Gehen, jeder macht es sich auf den zwei Betten, die unser Nachtlager bilden werden, bequem, die Wodka-Flasche kreist zum wiederholten Male.
Eine Ziege ist geschlachtet worden und wird nach alter Tradition in einem metallenen Bottich, der innen mit heißen Steinen ausgelegt ist, geschmort. Der abgeschlagene Schädel liegt noch im Eingangsbereich und scheint niemanden ernsthaft zu stören. Unter viel Jubel wird dann nach einiger Zeit der Deckel geöffnet und das köstliche Mahl serviert. Selbst der kleinste Mitbewohner kriecht mit zufriedenem Gesicht und einem abgenagten Knochen im Mund am Boden herum. Der Sprung vom sterilen Japan ist beträchtlich!
Eigentlich sind wir eher skeptisch, als wir zum Khustain nuruu Nationalpark abbiegen. Dort wurden die letzten Wildpferde, die der russische Offizier Nikolai Przewalski 1881 in der Mongolei entdeckte und die an alle Zoos der Welt verteilt wurden, wieder ausgewildert. Außer einer Vielzahl von Murmeltieren ist zunächst aber keine Spur von ihnen zu bemerken. Doch dann biegen wir um einen Hügel, und da weidet tatsächlich eine Herde am Hang! Begeistert schleichen wir uns an, sie lassen uns ziemlich nahe herankommen, spitzen neugierig und wachsam die Ohren, bis der Abstand eine gewisse Grenze erreicht hat, dann hauen sie ab. Wenige Kilometer entfernt wohnen Surens Schwester mit Ehemann und seine Mutter, die mit 74 Jahren ein außergewöhnliches Alter hierzulande erreicht hat, zumal sie auch noch sehr rüstig ist und täglich Tier-Dung zum Heizen einsammelt. Wir werden mit milchigem Tee, Backwaren und getrocknetem Käse verwöhnt und am Morgen gibt es einen ganzen Kübel mit frisch zubereitetem Joghurt.
Jetzt bleibt uns nur mehr eine kurze Strecke bis zur Hauptstadt zurück, insgesamt haben wir etwa 2000 km im Outback zurückgelegt.

Nach herzlicher Verabschiedung von unseren beiden mongolischen Freunden besteigen wir wieder unser rollendes Zuhause, mit uns im Abteil diesmal ein junger Student und eine russische Reiseleiterin, bei der Geri erstmals seine neu erworbenen Russisch-Kenntnisse ausprobieren kann. Sie spricht aber auch ausgezeichnet deutsch und warnt uns vor den aufdringlichen mongolischen Händlern, die ihre Schmuggelwaren auf Mitfahrer aufteilen wollen.
Kurz nach Mitternacht überschreiten wir die Grenze nach RUSSLAND.
Der erste Blick aus dem Fenster am Morgen zeigt dichte Birkenwälder, vermischt mit Nadelbäumen, saftig grüne Wiesen mit gelben Butterblumen und orangefarbenen Trollblumen. Bunt verzierte, umzäunte Holzhäuschen fügen sich anmutsvoll in die endlos erscheinenden sibirischen Wälder. Nach einer Weile ist zum ersten Mal der gewaltig große Baikalsee zu erblicken, an dessen Ufer wir nun geruhsam dahin rattern.



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