Reiseberichte

Wie ein bunter Reigen flimmern die Länder, die wir gerade bereist haben, vor unseren Augen: Nord- und Südkorea, China, Hongkong, Taiwan und Japan. Eben standen wir noch auf der Spitze des heiligen Berges Fuji, nun sind wir wieder nach Peking zurückgekehrt, da fühlen wir uns ja fast schon wie zu Hause, als wir am Montag, 27.Mai 2013 zum dritten Mal unsere gemütliche Unterkunft beziehen. Gleich holen wir die in einer Agentur hinterlegten Tickets für den ersten Abschnitt unserer Bahnfahrt ab und nützen den restlichen Tag, um uns noch einmal gehörig die Beine im Behai-Park, einst kaiserlicher Lustgarten, zu vertreten.

Zeitig am Morgen herrscht schon reges Treiben in der riesigen Bahnhofshalle und wir können es kaum mehr erwarten, bis endlich das Gate geöffnet wird und uns die Rolltreppe abwärts zu den Bahnsteigen führt. Und da wartet sie schon auf uns, die Transsibirische Eisenbahn, jeder Waggon mit einem dekorativen Emblem verziert! Mehr als 10 000 km werden wir unterwegs sein, 40 Jahre hat Geri schon diesen Traum gehegt, für 40 Tage wird sie nun, mit Unterbrechungen, unsere fahrende Heimat sein. Um 8 Uhr 05 fährt das Dampfross pünktlich ab.
Vor dem Bau der Transsib galt die Durchquerung Sibiriens beinahe als Heldentat, die Fahrt mit einer Droschke gestaltete sich als reinste Quälerei, wie Anton Tschechow 1890 anschaulich beschrieb. Ein Jahr später wurde auf Befehl des Zaren Alexanders III. der Bau der längsten Eisenbahnstrecke der Welt begonnen. Fast 100 000 Bauern, Soldaten, Kosaken und Sträflinge schufteten mit Säge, Spitzhacke, Schaufel und Schubkarren.
1914 stand im Reiseführer von Hendschel: Was die Reiseausrüstung betrifft, sei darauf hingewiesen, dass man sich nicht mit einem Revolver zu bewaffnen braucht, es gibt auch beim besten Willen in den russischen Bahnen nichts zu schießen…
Wir hingegen schießen entzückt die ersten Fotos bereits in den Vororten Pekings, in weiterer Folge von zahllosen kleineren Städten und beschaulichen Dörfern mit Lehm- und Ziegelhäuschen, schroffen Bergkämmen, funkelnden Seen und sich dahin schlängelnden Flüssen, und ein bisschen abenteuerlich ist uns trotzdem dabei zumute!
Natürlich sind wir nicht im luxuriösen Zarengold unterwegs, sondern bescheiden in einem Viererabteil der zweiten Klasse, haben also ausreichend die Möglichkeit, mit Leuten der verschiedensten Bevölkerungsschichten in Kontakt zu kommen. Bewacht werden wir von zwei Zugbegleitern, die sich in jedem Waggon befinden und die auch für Service und Sauberkeit zuständig sind.

Entspannt lehnen wir uns also an unsere Rucksäcke und lassen die Landschaft, die allmählich karger wird, vorüber gleiten. Schafherden und Kamele ziehen über den sandigen Boden, unendlich dehnt sich die Weite der Wüste Gobi vor unseren Augen aus. Langsam neigt sich die Sonne dem Wüstenboden zu und während sie auf der einen Fensterseite die Erde in warmes Rot taucht, treten auf der anderen Seite schon bläulich violette Schatten am Horizont auf.
In den Abendstunden erreichen wir die chinesisch-mongolische Grenze, bei der in langwieriger Prozedur jeder einzelne Waggon hydraulisch gehoben und die Räder ausgetauscht werden, da sich nun die Spurbreite ändert. Unter sanftem Schaukeln schlummern wir der Hauptstadt Ulan Bator in der MONGOLEI entgegen.
Wie bunte Farbkleckse gestalten sich die ersten Ansiedlungen mit Hausdächern in knallig fröhlichen Farben, malerisch an Hügeln geschmiegt, vereinzelt schimmern Schneeflecken von den Heiligen Bergen, dazwischen reihen sich weißfilzige Jurten.

1126 wurde Dschingis Khan, das Wort bedeutet Ozean und symbolisiert große Weisheit, geboren. Mit viel Geschick gelang ihm die Eroberung und Eingliederung der Stämme zu einer Einheit. Sein gigantisches Denkmal thront auf den Stufen des Parlaments, das einen weitläufigen Platz begrenzt, in dessen Mitte sich das Reiter-Standbild Sükhbaatars, eines mongolischen Revolutionärs, unter dessen Führung 1924 die Volksrepublik ausgerufen wurde, erhebt.
Kreuz und quer schlendern wir durch die Stadt und kämpfen dabei nicht nur mit der überraschenden Kälte, sondern auch mit dem chaotischen Verkehr. Selbst wenn Polizisten trillernd in der Mitte der Kreuzungen stehen, scheint die Ampelfarbe für Fußgänger und Fahrzeuge nur eine Empfehlung zu sein!
Auf unserem Weg stoßen wir auf das berühmte Kloster Gandan, größtes und wichtigstes der Mongolei. Für uns wesentlich interessanter sind einige kleine buddhistische Tempelanlagen, in denen Mönche jeden Alters, begleitet von Trommeln und Schlaginstrumenten, ihre melodiös klingenden Gebete murmeln. Und der weltweit an erster Stelle stehende Kultgegenstand hat auch hier seinen Einzug gehalten: Wer genug vom Beten hat, lässt die Fingerchen flink übers Handy gleiten!