Reiseberichte


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DIE WIRRE BESTEIGUNG DES FUJI

Am Pfingstsonntag kehren wir erneut nach JAPAN zurück. Die Zeit ist reif, den Fuji zu besteigen! Da wir über die Besteigung des Berges zu dieser Jahreszeit aus dem Internet bislang wenige Informationen holen konnten, erhoffen wir, bei der Touristenstelle in Kawaguchiko, malerisch an seinem Fuß gelegen, mehr zu erfahren. You want to climb now, die Dame kann es gar nicht fassen, impossible, closed now! Vergeblich versuchen wir ihr klar zu machen, dass es ja sogar Winterbesteigungen gibt. Heftiges, entsetztes Kopfschütteln, sie bleibt dabei, it’s dangerious!
Also müssen wir uns selbst überzeugen und fahren anderntags mit dem Shuttle-Bus bis zur sogenannten 5.Station auf 2305 m, ein Rummelplatz im Kreis von Restaurants, Souvenirgeschäften, dazwischen fotogeile Massen. Wir spazieren bis zur Schneegrenze auf etwa 2700 m, darüber erhebt sich wie ein Gugelhupf mit dickem, schwerem Zuckerguss der imposante Berg.
Nun kennen wir die Lage, kehren am nächsten Tag wieder zur 5. Station zurück und richten uns in der nahen Sato Goya Hütte auf 2230 m im komfortablen Lager ein. Um 3 Uhr 15 starten wir los, gemächlich führt der Pfad zuerst durch Birken- und Mischwald, dann in breiten Kehren zur Schneegrenze. Wir schnallen die Steigeisen an und knipsen die Stirnlampen aus, denn inzwischen ist es hell geworden. Der Blick ins Tal eröffnet unter einem Dunstschleier endlose Wälder und schimmernde Seen.

Bergauf reiht sich Hütte an Hütte, natürlich alle geschlossen, die Saison beginnt ja erst Anfang Juli, dann trampeln hier, etliche sogar mit Sauerstoffflaschen, täglich bis zu 9000 Menschen aufwärts, dadurch ergeben sich endlose Wartezeiten, also wahrlich kein Vergnügen!
Wir orientieren uns an dem mit Seilen und Ketten markierten, über erkaltetes Lavagestein führenden Aufstiegsweg und ziehen die Eisrinnen für den Aufstieg vor. Da wir dabei meistens gleich senkrecht hinaufziehen, ist unsere Route auch entsprechend steiler und anstrengender.
Mit dem Wetter haben wir wieder einmal Glück, nur hin und wieder ein Wolkenkranz um den Berg, sonst liegt sonnig und klar der Kraterrand über uns, zum Greifen nahe, aber je höher wir kommen, desto mehr Verschnaufpausen. Nach sechseinhalb Stunden sind wir bei der letzten Hütte und dem Torii angelangt und blicken in das riesige Kraterloch, Schnee gefüllt, dazwischen funkelt bedrohlich das rot-schwarze Lavagestein. Die meisten Japaner begnügen sich ja mit diesem Ziel, denn gemeinerweise befindet sich der Gipfel genau gegenüber, das bedeutet für uns weitere 45 Minuten entlang des Kraterrandes mit einigen kleinen und dann dem größten, letzten Anstieg. Am Donnerstag, 23. Mai stehen wir am höchsten Berg Japans, Fujisan, 3776 m hoch!

Nicht lange können wir uns unser Glück bei dem von Stahlkonstruktionen für das Observatorium umgebenen schlichten Gipfelstein genießen, denn die Wolken werden dichter und der Wind bläst mit heftigen Böen. Damit wir schneller unten sind, wählen wir wieder die Direttissima über die Schneefelder. Immer öfter werden wir dabei von dichtem Nebel eingehüllt und erkennen Richtung und Hütten nur in vereinzelten, sonnigen Abschnitten. So merken wir zunächst auch gar nicht, dass wir uns längst viel zu sehr nach rechts gehalten haben, bis wir schließlich auf eine unbekannte Hütte stoßen. Rund um uns breitet sich das schwarz spröde Gestein aus, dazwischen Eis und Schnee, kein Mensch ist zu sehen, keine Hinweisschilder, wo wir uns befinden könnten.
Verunsichert schnallen wir die Steigeisen ab und folgen einem abwärts führenden Weg, müssen dabei aber immer wieder über Schneefelder rutschen. Schließlich endet der Pfad im Nichts und wir finden uns mit einem Mal in einem dichten Birkenwald. Tapfer kämpfen wir uns nun durchs Unterholz und über die Äste der schräg wachsenden Bäume in die vermeintlich richtige Richtung. Wir entdecken auch einen scheinbar markierten Weg, wie sich herausstellt, sind die roten Bänder aber nur Kennzeichen für Waldarbeiter und auch er hört plötzlich wieder auf.
Langsam wird uns mulmig, und während wir stundenlang fort und fort hasten, auf einen neuerlichen, unbrauchbaren Pfad stoßen, über in Mulden angesammelten Schnee rutschen, auch die letzte Möglichkeit eines Notfall-Biwaks erwägen, drängt es uns doch unaufhaltsam weiter. Noch ist Hoffnung auf Bekanntes zu gelangen, doch vergeblich. Jetzt wird es wirklich kritisch!
Schließlich kommen wir zu einer breiten, mit Lavageröll gefüllten Rinne und lassen uns talwärts gleiten, da erspähen wir eine Straße. Die Rettung! Zuerst wundern wir uns, dass kein einziges Auto vorbeifährt, doch dann ist schnell klar: Der Asphalt wurde durch ein Erdbeben und einen ungeheuren Erdrutsch völlig aufgerissen, und die Straße ist im oberen Bereich auch gesperrt. Wir müssen aber trotzdem hinunter, es bleibt uns nur mehr diese Chance! Hoffend auf eine menschliche Behausung wandern wir dahin und verlieren dabei nur wenige Meter abwärts.

Nach einiger Zeit bricht die Dunkelheit herein, doch der Vollmond tröstet mit seinem hellen Schein. Die Stille des Waldes wird nur durch Vogelgezwitscher, heulende Eulen und dahin jagende Wildschweine und Rehe unterbrochen. Wir unterdrücken Verzweiflung und Müdigkeit und setzen Schritt für Schritt, vermeiden zunehmend Sitzpausen, denn danach könnten wir uns kaum mehr aufrichten. Bange Fragen bewegen sich in unseren Köpfen, werden wir wohl heute noch zu Dusche und weichem Bett kommen?
Nach fünf Stunden tut sich eine Weggabelung auf und dann erhellen wie ein Wunder grelle Scheinwerfer eines entgegenkommenden Fahrzeugs die einsame Straße! Wir winken und das Auto mit zwei jungen Burschen drinnen hält tatsächlich an. Sie sind sofort bereit, uns ins Hotel zu führen, immerhin eine Fahrzeit von einer halben Stunde. Geld wollen unsere Retter auf keinen Fall nehmen, sie sind froh, dass sie uns helfen konnten! Wir können es gar nicht glauben, als wir endlich im Zimmer stehen, wir waren über 20 Stunden auf den Beinen! Stöhnend, aber glücklich, zum zweiten Mal an diesem Tag, fallen wir ins Bett! Kaum zu glauben, was der Körper in Notsituationen zu leisten vermag!

Strahlend und wolkenfrei winkt uns unser Berg am nächsten Morgen zum Fenster herein. Sollen wir ihn mögen oder nicht? Aber schließlich kann er nichts dafür, dass wir uns verirrt haben. Und es ist ja noch einmal alles gut ausgegangen!
Nach zwei Erholungstagen kehren wir nach Tokio zurück. Nun verlassen wir dieses lieb gewonnene Land, mit seinen manchmal etwas verrückten, aber liebenswürdigen und hilfsbereiten Menschen.

Damit ist auch der erste Teil unserer Reise zu Ende, wir fliegen nach CHINA und in Peking werden wir nunmehr die Transsibirische Eisenbahn besteigen und erwarten gespannt die nächsten Abenteuer.



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