Reiseberichte


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SELTSAM IM NEBEL ZU WANDERN

TAIWAN erwartet uns mit trübschwülem Wetter und warmen Regen, und das wird auch die meiste Zeit so bleiben. Auf einem 748 m hoch gelegenen Plateau im Zentralbergland liegt malerisch eingebettet der Sonne-Mond-See, fast alle taiwanesischen Brautpaare verbringen da ihre Flitterwochen. Trotz Schnürlregen spazieren wir auf dem von üppig tropischer Vegetation begleiteten Rundweg, genießen das leise Plätschern der Wellen und den vielstimmigen Vogelgesang. Immer wieder tauchen sogenannte floating islands auf, bepflanzte und mit Bojen verankerte, winzige Inselchen.
Mit einem Kleinbus starten wir in das Bergdörfchen Alishan. Zuerst geht es in der Ebene, vorbei an Reisfeldern, Palmen, Bananenstauden und ausgetrockneten Flusstälern, dahin. Bald schon türmen sich rundum Berge, üppiges Dschungelgrün sprießt dicht hervor, Wasserfälle plätschern von moosüberzogenen Mauern, in steilen Kehren geht es aufwärts.
Bis zu 35 Meter hohe und über 2000 Jahre alte Baumriesen umringen das Tal in einem dichten Nadelwald aus taiwanesischen Roten Zypressen. Dort, wo nur mehr Stumpf und Restwurzeln bestehen, hat die Natur eigenartige, geheimnisvolle Gebilde erzeugt, löchrig, mit Moos bedeckt, und vom Regen glatt geschliffene Rillen, wie verwunschene Gnome. Dazwischen liegen Tempel, die Pagode des Baumgeistes, ruhen stille Seen, blühen prächtig weiße Callas, Magnoliengärten laden zum Verweilen ein – doch fast alles wird von weißen Schleiern verschluckt. Über Hängebrücken, nasse Holzstege und Treppen tasten wir uns auf dem Rundweg vorwärts, und all dies wirkt wie ein Zauber auf uns und erinnert uns an ein Gedicht von Hermann Hesse: Seltsam, im Nebel zu wandern! Einsam ist jeder Busch und Stein, kein Baum sieht den andern, jeder ist allein…
Das Tuten der Schmalspurbahn und prasselnder Regen unterbrechen die Idylle. Unsere Hausfrau empfiehlt uns ein lokales Restaurant und gibt uns ein Zettelchen mit Anweisungen mit. Im Nu häufen sich vielerlei Gemüse, Süßkartoffel, Pilze, Garnelen, Fleischtäschchen, Tofu und Huhn in einer Pfanne auf dem Tisch-Gaskocher. Wir wollen natürlich gleich loslegen, aber so geht das nicht! Bald schon sind wir von den Einheimischen umringt, die uns zeigen, wie man die Köstlichkeiten portionsweise zu garen hat, und da man nicht sicher ist, dass wir die Sache auch verstanden haben, legen die Hausfrauen gleich selbst Hand an. Unter staunendem Lachen der Kinder dürfen wir dann wenigstens selbst essen!

Schon in Wien haben wir einen Behörden-Marathon gestartet, um eine Genehmigung für die Besteigung des höchsten Berges in diesem Land zu ergattern. Dazu muss man, in unserem Fall zwei Monate davor, schon das genaue Datum für diese Tagestour angeben. Bei einem zweitägigen Aufstieg entscheidet ein Los, ob man die Erlaubnis erhält. Wir suchen sicherheitshalber für beides an und erhalten, welch Glück, sogar beide Genehmigungen! Damit ist es aber noch lange nicht getan! Man muss zusätzlich bei einer örtlichen Polizeistation eine weitere Erlaubnis einholen, wovon aber hier bei niemand bei einem der zahlreich aufgesuchten Ämter wirklich Bescheid weiß, höchstens werden wir freundlich, aber kopfschüttelnd mit Tee bewirtet. Erst mit Hilfe eines chinesischen Pärchens, das wir mit demselben Ziel auf der Dong Pu-Lodge auf 2540m antreffen, werden wir fündig, und zahlreiche Stempel jagen nun über unsere Papiere, nur über die Aufhebung der willkürlichen Straßensperre zum Ausgangspunkt, und das sind immerhin drei unnötige Kilometer, lässt sich nicht verhandeln.
Um 3 Uhr 20 brechen wir also mit Stirnlampen auf. Atemberaubend bald der Blick ins Tal bei beginnender Morgendämmerung, unter uns das Wolkenmeer, über uns die Mondsichel, geisterhaft ragen abgestorbene Baumfragmente durchs bläuliche Licht. Und dann brechen die ersten Sonnenstrahlen hervor und beleuchten die Bergkuppen ringsum! Solch ein Glück, wir haben mit Regen und Nebel gerechnet!
Nach knappen fünf Stunden haben wir die Schutzhütte erreicht, das üppige Grün weicht einer kahlen, schroffen Bergwelt, der Weg zunehmend steinig und steil, zuletzt sind Ketten angebracht, mit deren Hilfe man sich über schwierigere Passagen ziehen kann.
Und endlich stehen wir am 3952 m hohen Yushan, auch Mt. Jade genannt, höchster Berg Taiwans! Um uns zahlreiche, niedrigere Bergspitzen, es ist uns vergönnt sie zu sehen, denn das ist höchst selten der Fall, die meisten erleben die Bergwelt nur bei Nebel und Regen. Ein winziges Vögelchen schwirrt zwitschernd zutraulich um uns herum und begrüßt uns heute als erste Gipfelsieger.
Nicht lange genießen wir den Sonnenschein und das Glücksgefühl, wir müssen hinunter, und es wird noch ein langer Abstieg, in dessen Verlauf es dann auch zu schütten anfängt. Vergeblich versucht der Lodge-Besitzer uns ein Taxi für den Straßenabschnitt am Schluss entgegen zu schicken, die Herren Polizisten wollen jedoch beim Kartenspiel nicht gestört werden!
Nach insgesamt 14 Stunden sind wir wieder bei der Unterkunft angelangt und brechen nach Alishan auf. Eine erquickliche Nacht würde uns nun zustehen, aber die wird um 4 Uhr früh abrupt unterbrochen, als nämlich sämtliche andere Hotelgäste unter lautem Gepolter und Geschrei zum Sonnenaufgang aufbrechen. Sie verstehen so gar nicht, dass wir uns beschweren! Anders als in Japan, besitzen die Menschen sowohl in Korea als auch hier, bei aller Liebenswürdigkeit sonst, wenig Distanzgefühl, vor allem dann, wenn sie sich in einer Gruppe befinden. Dazu kommt noch die Lautstärke, vor allem Frauen scheinen sich kaum in gemäßigtem Ton unterhalten zu können.

Einstweilen nehmen wir nun Abschied von der Bergwelt und gelangen durch kleine Dörfer mit hügeligen Teeplantagen schließlich in die Stadt Tainan. Hatte es in den Bergen noch um 14 Grad, bewegen wir uns jetzt trotz bewölktem Himmel bei etwa 30 Grad, gleich tritt uns also der Schweiß aus allen Poren! Das tropische Klima merkt man sofort an den von Feuchtigkeit getränkten, schwarz schimmeligen Mauern, schwüler, leicht modriger Geruch durchzieht die Gassen. Nahezu an allen Häusern sind senkrechte, riesige Reklametafeln mit chinesischen Schriftzeichen angebracht, meistens stehen aber auch noch englische Bezeichnungen, vor allem für die gängigen, westlichen Modehäuser und andere Produkte, eine bunte, luftig bizarre Welt!
Auf den Straßen spielt es sich heftig ab, eine Armee an Motorrollern ist unterwegs, so mancher hat seinen Hund vorne sitzen. Als Fußgänger ist man auf jeden Fall Zweiter, auch wenn man die grüne Ampel auf seiner Seite hat. Sogar in den schattigen Arkaden, in die wir uns häufig flüchten, ist man nicht sicher, denn hier befinden sich zwischen Garküchen und gemütlichen Plausch-Ecken die Parkplätze der Flitzer. Was uns hier zum ersten Mal auffällt, sind die rotzahnigen, Betelnuss kauenden Leute, auf der Straße ist also auch deshalb Vorsicht geboten, wo man hintritt, denn es wird natürlich überall ausgespuckt!
Auf unserem Streifzug befinden wir uns bald in dem prächtigen, farbenfrohen, mit Drachen verzierten Sidianwu Tempel. Er stammt aus dem 17.Jh und diente immer schon als Opferstätte für besondere Anlässe. Wir durchschreiten die Haupthalle, den Gebetshof, eine konfuzianische Halle mit fein gezeichneten Kaligrafien und einen seitlichen, buddhistischen Raum. Viele Gläubige knien vor den goldgeschmückten Götterfiguren, bringen Opfergaben in Form von Obst oder hübsch hergerichteten Päckchen, die man bei den Ständen vor dem Tempel erwerben kann, entzünden büschelweise Räucherstäbchen, werfen Orakelhölzer oder verbrennen Wünsche auf Papierstreifen in dem eigens errichteten Kamin. Einige widmen sich sogar mit einem vorbetenden Medium dem Ritual der Geistervertreibung. Überall herrscht eine Atmosphäre tiefster Frömmigkeit und Hoffnung.

Nach weiteren prächtig ausgestatteten Tempeln und den Resten des einst von Holländern errichteten Forts Providentia, gelangen wir nun zum ältesten Konfuzius-Tempel Taiwans. Von rotem Mauerwerk umgeben ruht er in einem weitläufigen Park, das Innere ist schmucklos und schlicht, die Farbe Rot herrscht überall vor, lediglich eine vergoldete Stein-Stele steht für den Meister.
Ruhe und Anmut verströmt ebenfalls der mit Lotusblumen verwachsene See im Stadtpark, an dessen Ufern wir den Aufenthalt in dieser so lebhaften Stadt beenden.
Nun haben wir uns wirklich Tage der Entspannung verdient! Wir finden sie an der Südspitze im Badeort Kenting, bei Sonnenschein, Sandstrand, Meeresrauschen, Grillenzirpen und Träumen auf der Terrassenschaukel.
Weniger Glück haben wir dann in der berühmten Taroko-Schlucht, nicht nur wurde sie durch einen Erdrutsch zum Großteil unpassierbar, es schüttet auch wieder wie aus Eimern! Trotzdem wandern wir zwischen den zu beiden Seiten steil aufragenden Marmorfelsen, über schwankende Hängebrücken, klettern unter Felsvorsprüngen zu malerisch am Hang gelegenen Tempeln und in Nischen gebauten winzigen Andachtsstätten.

Die letzte Etappe gilt der Hauptstadt Taipeh – Hupen, Klingeln, Knattern, das Großstadtgewitter hat uns eingeholt, ein Menschenstrom in der Fußgängerzone, moderne Boutiquen, riesige, bunt flimmernde Reklametafeln, dazwischen unzählige Garküchen, verschiedenartige Gerüche wirbeln um die Nase, Gedränge, Hektik, natürlich auch von uns, denn wir eilen zum Long Shan-Tempel und beobachten dort den Tempelalltag.
In einer überdachten, endlos langen Allee reihen sich die Essens-Stände des Nachtmarkts, viele mit kleinen Tischen und Bänken davor, geboten wird Meeresgetier in allen Varianten. Etliche Massage- und Kosmetiksalons schieben sich witzig dazwischen. Gespannt erwarten wir die berühmte Snake Alley, auf Grund barbarischer Schlachtungen einst angeblich Horrortrip für Touristen. Aber die Zeiten ändern sich, nur drei Restaurants stellen im Eingangsbereich Käfige mit Schlangen aus, fotografieren unerwünscht, das Lokal gähnt innen vor Leere.
Zarte Flötentöne erklingen, als wir durch die stillen Gänge des Konfuzius-Tempels wandeln, erfüllt mit Ruhe und Sanftmut. Kontrastreich gleich daneben das lebhafte Treiben im daoistischen Bao An-Tempel.
Eine Rarität ist das Miniaturmuseum, wo namhafte Künstler in Millimeterarbeit Szenen aus dem Lebensbereich diverser Gesellschaftsschichten zu verschiedenen Epochen und Ländern dargestellt haben. Kaum zu glauben, dass es einen funktionierenden Fernseher in der Größe einer Briefmarke gibt!
Trotz zunehmender Schwüle schreiten wir natürlich noch die Stufen zum pompösen Chiang Kai Shek-Denkmal, in einem weitläufigen, kunstvoll verzierten Park, zusammen mit dem im traditionellen Stil errichteten Theater und Konzerthaus, hinauf.



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