Reiseberichte


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LETZTE BASTIONEN DES KOMMUNISMUS

Seid ihr verrückt? Jetzt geht ihr aber wirklich zu weit!
Vergeblich warnen uns Freunde vor einem Trip nach Nordkorea, aber wir wollen es wieder einmal genau wissen! Was steckt hinter dem ganzen Säbelrasseln und den aufpeitschenden News, die man täglich von der Presse kredenzt bekommt? Geglaubt haben wir ohnehin nur immer, was wir mit eigenen Augen und Ohren vernommen haben. Wir wollen keine vorgekaute Meinung – deshalb fahren wir hin!
Wir wollen vor allem die Menschen in diesem Land kennenlernen, wie sie leben, was sie denken, was sie bewegt. Bis jetzt haben wir sogenannte Risikoländer immer recht gut einschätzen können, und ohnehin kommt man in diese letzte kommunistische Hochburg nur mit einer Agentur und fixem Programm.
Leichte Schneeflocken tänzeln vom Himmel, als wir uns also am Palmsonntag mit unseren Rucksäcken zum Flughafen begeben.
Nach einem kurzen Zwischenaufenthalt in Berlin landen wir anderntags in CHINA, in der Hauptstadt Peking. Hier bleibt uns nur wenig Zeit durch idyllisch angelegte Parks und auf mit modernen Geschäften und Hochhäusern gesäumten Boulevards zum Platz des Himmlischen Friedens zu spazieren und den Charme der dazwischen verlaufenden schmalen Gässchen mit winzigen Läden, in denen die Zeit still zu stehen scheint, zu erleben.

Am frühen Nachmittag des nächsten Tages landet eine alte Tupolew nach eineinhalb Stunden Flugzeit in NORDKOREA. Die Einreiseformalitäten sind rasch erledigt, ein kurzer Blick in den Pass, ebenso in einen Rucksack, schon sind wir durch und werden von zwei Guides in Empfang genommen, einer spricht ausgezeichnet Deutsch, der andere Französisch, beide auch Englisch. Ein Chauffeur bringt uns mit einem Kleinbus zum Hotel. Es herrscht wenig Verkehr auf den breit angelegten, mehrspurigen Straßen der Hauptstadt Pjöngjang, die meisten Leute sind zu Fuß unterwegs, nur wenige per Rad oder mit Bussen und Straßenbahnen. Trotzdem steht bei jeder Straßenkreuzung eine in blauer Uniform, mit Röckchen und Stiefeln kess bekleidete Politesse.
Unterwegs werden wir in die Geschichte des Landes und die politische Juche-Philosophie eingeführt. Neben Hammer und Sichel gilt der Pinsel als drittes Symbol, Ausdruck für die Wichtigkeit des Intellekts. Immer wieder weist uns unser Führer Di auf den sozialen Standard hin. Fast alle lebensnotwendigen Leistungen werden vom Staat zur Verfügung gestellt, auch Wohnungen werden zu minimalen Kosten bereit gestellt. Die Bautätigkeit ist enorm! Ganze Wohnblöcke sind in weniger als einem Jahr fertig gestellt. Die Universität wurde von den Studenten selbst in einigen Monaten errichtet.
Im 41. Stockwerk des feudalen Hotels Yanggakdo, mitten auf einer kleinen Insel im Fluss Dädong, werden wir abgesetzt und treffen uns nach dem Abendessen mit unseren Guides bei köstlich gezapftem Bier in der Bar, um das dichte Programm der nächsten Tage zu besprechen. Ob wir auch alleine herumstreunen dürfen, wird zwar prinzipiell bejaht, uns aber gleichzeitig zu verstehen gegeben, dass es für sie als Verantwortliche ein Risiko bedeutet.

Im Vordergrund steht natürlich eine Rundfahrt durch die Hauptstadt. Stolz wird uns zunächst die Bibliothek, der Große Studienpalast des Volkes, mit 30 Millionen Büchern aus der ganzen Welt, präsentiert. Ein ausgeklügeltes System schafft in Sekundenschnelle die gewünschten Bücher in kleinen Wägelchen heran. In vielen Sälen findet Fremdsprachen-Unterricht statt, die Praxis in Deutsch wird gleich mit uns geübt, im Musiksaal demonstrieren wir dem erstaunten Publikum einen Walzer zu Musik aus eher vorsintflutlichen CD-Playern. Natürlich gibt es auch einen Computersaal, aber als einzig mögliche Kommunikation herrscht das Intranet vor.
Parteigründungsmonument, Tor der Wiedervereinigung, Juche-Turm, Chollima-Statue, Triumphbogen – alles protzig, überdimensional und wuchtig – nichts wird ausgelassen, und über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten! Staatsgründer Kim Il Sung und Sohn Kim Jong Il überragen als überlebensgroße bronzene Figuren an einem Ende den zentralen, riesigen Hauptplatz der Stadt. Selbstverständlich legen wir hier, nach einer gebührenden Verneigung, wie alle anderen einen Blumenstrauß nieder. Für die beiden wurde auch eigens ein aus zwei Gebäuden bestehendes Museum, das Staatsgeschenke aus der ganzen Welt beinhaltet, eingerichtet. Da entdecken wir doch glatt einige Lipizzaner aus weißem Porzellan!
Ein Highlight ist die U-Bahn! Rolltreppen führen fast 200 Meter in die Tiefe, gedacht war die Anlage ursprünglich als Bunker bei Atomangriffen. Wir verscheuchen die unheimlichen Gedanken dabei und bewundern die mit prächtigen Beleuchtungen und Wandgemälden ausgestatteten Stationen.
Etwas außerhalb der Stadt befindet sich das kleine, Stroh gedeckte Geburtshäuschen des Nationalhelden Kim Il Sung, der bereits mit 14 Jahren im Untergrund für die Befreiung seines Landes gekämpft hat.
Mittags und abends werden wir in diversen Spezialitäten-Restaurants mit köstlichem Essen versorgt. Unzählige Schüsselchen mit Delikatessen werden angeboten, bevor der letzte Hauptgang, Suppe und Reis, folgt. Schmunzelnd überraschen uns unsere beiden Führer mit einem besonderen Schmankerl: Sie führen uns in ein Wiener Kaffeehaus, wo uns tatsächlich Helmut Sachers Einspänner serviert wird!
Besonders beeindruckend gestaltet sich dann die Fahrt zur 4 Kilometer breiten Demilitarisierten Zone, in deren Mitte die eigentliche Grenze zwischen Nord- und Südkorea verläuft. In diesem Bereich bearbeiten unter anderem Bauern beider Länder ihre Felder. In Begleitung einiger Soldaten dürfen wir auch das Gebäude für Verhandlungen besichtigen, in einem weiteren wurde einst das Friedensabkommen mit den USA unterzeichnet. Während wir dann fotografierend auf der einen Seite der Grenzlinie stehen, werden wir von Touristen auf der anderen Seite abgelichtet, eine groteske Situation! Stille, Ruhe, keinerlei Hektik, von kriegsvorbereitenden Aktionen ist weit und breit nichts zu sehen!

Ist die Ruhe und Gelassenheit trügerisch? In der nahen Stadt Käsong bemerken wir, wie auch schon in der Hauptstadt, regen Bau entlang der Straßen. Unzählige Arbeiter und auch Soldaten graben in die Tiefe, Frauen entfernen von Hand riesige Gesteinsbrocken, eine Vielzahl von Vermutungen keimt in uns unwillkürlich auf.
Während wir uns bei buddhistischen Tempeln und historischen Königsgräbern, wenige Relikte, die beim Koreakrieg verschont blieben, aufhalten, braut sich womöglich doch eine Katastrophe zusammen?
Der für alle überraschend nachgefolgte, erst 29 jährige Kim Jong Un ist unerfahren und muss seine Fähigkeiten erst unter Beweis stellen. Wie leicht ist da eine falsche Entscheidung mit unausweichlichen Folgen möglich! Das Volk scheint fanatisch hinter ihm zu stehen, zumindest versichert uns das unser Guide: Wenn die USA angreifen, setzen wir sofort einen Vergeltungsschlag, wir fürchten uns nicht!
Meint er das wirklich ernst? Er ist Vater zweier Töchter, von denen er äußerst liebevoll erzählt! Wir fragen nicht weiter. Aber er will wissen, was draußen über sein Land erzählt wird, was wir denken und ob wir Angst hätten. Angesichts der BBC Meldungen, die wir im Hotel vernommen haben, könnte man ja in Panik geraten, aber wir wissen es bereits besser: Der live in BBC übertragene Aufmarsch am großen Platz hat zum angegebenen Zeitpunkt gar nicht stattgefunden, denn da waren wir höchstpersönlich anwesend und haben den Kids beim Rollerbladen zugeschaut! Und wir versichern unserem Guide, dass wir uns von Propaganda-Feldzügen von keiner Seite beeinflussen lassen!
In diesen und späteren Gesprächen mit Südkoreanern stellt sich immer wieder heraus, dass beide Seiten für eine Wiedervereinigung durchaus bereit wären, was aber von den USA hartnäckig verhindert wird, da könnten sie ja ihre Stützpunkte in Südkorea verlieren!

Einen vergnüglichen Abend verbringen wir im Zirkus, auch wenn uns die atemberaubende Akrobatik den Schweiß auf die Stirne treibt – alles ohne Sicherheitsnetz! Außerdem endet die Vorstellung jäh durch Stromausfall. Genug Energie, das ist das große Problem des Landes, und durch das Embargo ist die Situation natürlich äußerst angespannt. Man braucht also dringend Atomkraft, was wiederum von den Amerikanern falsch ausgelegt wird.
Ein Ausflug in die Berge zeigt deutlich, dass der Winter noch allgegenwärtig ist. Es ist bitter kalt und wir hieven uns über vereiste Felseinschnitte auf einen Hügel.
Der Abschied von den Dreien ist herzlich. Österreicher schätzt man besonders, sie sind immer so freundlich! Ob wir ihnen wohl ein paar Fotos über die Agentur schicken könnten? Wir versprechen es, ohne zu wissen, was denn die Zukunft für sie alle bringen wird.



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