Reiseberichte
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KLATSCH, KLATSCH, NACH FANTASIA
Am nächsten Tag bringt uns ein Taxi zur Grenze nach TURKMENISTAN.
Überraschenderweise geht die Einreise ziemlich schnell, nur einige skurrile Fragen müssen wir über uns ergehen lassen, ob wir etwa Koks oder Marihuana mitführen, wirklich nothing? Doch bei dem Wort Austria winkt man uns lässig durch, the country of Hitler. Nicht nur deshalb bleibt uns der Mund vor Staunen offen.
Der Fahrer eines einzigen Privatautos erklärt sich bereit uns gegen Entgelt in die Hauptstadt Aschgabat mitzunehmen. Schon nach einigen Kilometern sehen wir in der Ferne eine weiße Skyline schimmern. Die Einfahrt erfolgt auf breitem, mehrspurigem Boulevard, gesäumt von blitzweißen, mit Goldornamenten verzierten Hochhäusern, dazwischen gepflegte Grünanlagen.
Wir steigen im Grand Hotel ab und brechen zu einem ungewöhnlichen Rundgang auf. 1948 wurde die Stadt durch ein Erdbeben fast gänzlich zerstört, aber anschließend nach einem modernen Bebauungsplan wieder aufgebaut. Mit Glanz und Gloria ließ der ehemalige diktatorische Ministerpräsident Türkmenbasy erdbebensichere Prachtbauten aus Stahlbeton und Glas entspringen. Alleen, Parklandschaften mit dichten Blumenrabatten und Springbrunnen prägen das von französischen Architekten errichtete Regierungsviertel, in das wir nun hineinspazieren.
Es gleicht einer Geisterstadt, denn keine Menschenseele, außer emsig arbeitenden Gärtnern, ist zu sehen. Doch als wir die ersten Aufnahmen von den mit weißem Marmor und Goldverzierungen ausgestatten wuchtigen Säulen und Kuppeln der Ministerien, dem Parlament und Palast knipsen, ertönt plötzlich lautes Klatschen. Hinter einem Gebüsch versteckt lauern Polizisten, die uns wild gestikulierend verbieten, hier zu fotografieren. Der Vorgang wiederholt sich zwar noch einige Male, aber auch wir achten nun auf entsprechende Tarnung. Besonders lachhaft aber ist der ständige Verweis patrouillierender Soldaten auf die jeweils andere Straßenseite zu wechseln.
Der Personenkult rund um den uneingeschränkten Herrscher nahm gigantische Ausmaße an. Überall ist sein Bild zu sehen, vergoldete Statuen befinden sich praktisch in allen Straßen und vor Gebäuden, sogar ein Meteorit wurde nach ihm benannt. Auf dem 95m hohen Neutralitätsturm dreht sich seine Statue innerhalb von 24 Stunden einmal um die eigene Achse, um immer der Sonne zugewandt zu sein. Selbst die Wochentage und Monate ließ er umbenennen, er schrieb Bücher, die zur Pflichtlektüre für jedermann gehören.
Als wir von dieser Hollywood-Kulisse genug haben, begeben wir uns zur Markthalle. Dort herrscht reges Treiben mit Waren aller Art, Frauen mit traditionell farbenfrohen Kleidern und geknüpften Kopftüchern hocken zwischen Obst- und Gemüseständen oder hinter Käse- und Wurstständen. Besonders verlockend sind natürlich die unzähligen Süßwarenstände, wo haufenweise bunt eingewickelte Bonbons angeboten werden.
Am nächsten Tag haben wir uns ein Auto organisiert und schon brettern wir auf löchriger Asphalt-Straße durch die Wüste Karakum bis zu einem kleinen Dorf. Etliche Kamele hocken hier in Gruppen zwischen Jurten im heißen Sand und vermitteln ein Bild von Zeitlosigkeit. Vereinzelt sind auch Steinhäuschen mit Klimaanlagen errichtet worden, aber die Leute bevorzugen ihre alten Lebensgewohnheiten und verwenden das Gemäuer lediglich zur Kühlung. Wir schlendern herum, doch als wir dann wieder abfahren wollen, bleiben wir nach wenigen Metern hoffnungslos im Sand stecken und schaffen es nur mit Hilfe eines Lastwagens heraus. Gegen 19 Uhr treffen wir, wie vereinbart, auf einen Jeep, mit dem wir den Weg durch die Dünen fortsetzen.
Bald haben wir unser Ziel erreicht, vor uns liegt in einer riesigen Erdspalte der unter roten Flammen züngelnde Gaskrater von Derweze. 1971 fanden Geologen bei Bohrungen eine mit Erdgas gefüllte unterirdische Höhle. Doch der Boden unter der Bohrplattform brach zusammen und es entstand ein Loch von 70 Metern Durchmesser. Um die Freisetzung des giftigen Gases zu vermeiden, wurde beschlossen, es abzufackeln, was angeblich umweltschonender ist.
In respektvollem Abstand umrunden wir das Tor zur Hölle und lassen uns in einiger Entfernung nieder, sorgsam darauf achtend, dass uns der Wind nicht die heißen Schwaden entgegen treibt. Allmählich bricht die Dunkelheit herein und verwandelt die lodernde Gluthölle in ein schauriges Spektakel.
Anderntags besichtigen wir die außergewöhnliche Azadi Moschee, modern und im Inneren geschmackvoll ausgestaltet, lädt sie zu beschaulichem Verweilen ein. Sechs Stunden dauert dann die Fahrt, über rumplige Fahrbahnen mit ständig wechselnden Fahrspuren, Polizeikontrollen und wandernden Geldscheinen bis Merv, eine der ältesten und bekanntesten Städte Zentralasiens, wichtiger Warenumschlagplatz an der Großen Seidenstraße.
Siedlungen lassen sich bis ins 6.Jh.v.Chr. zurückverfolgen, später war sie Hauptstadt des Seldschuken-Reichs. Die durch Kanäle bewässerte Stadt erlebte einen wirtschaftlichen Aufschwung und war als Perle des Ostens ein wichtiges Kulturzentrum. 1221 wurde die Stadt von den Mongolen erobert, dann stand sie unter persischer Verwaltung, 1884 verlor sie an Bedeutung und wurde schließlich russisch.
Mit dem Auto durchkreuzen wir das von teils gut erhaltenen mächtigen, von aus Stampflehmblöcken aufgebauten Schutzmauern umschlossene, 120 km² weite Ruinenfeld und besichtigen festungsähnliche Anlagen, wie Kis Kale, eine von Sassaniden erbaute Jungfrauenfestung, Paläste, das Sultan Sanjar und Ibn Zayd Mausoleum.
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