Reiseberichte


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AUF DEN SPUREN DER PIRATEN

Wahrscheinlich gelangt eher ein Kamel durch ein Nadelöhr, denn unsereins in die KARIBISCHE INSELWELT. Schon das Einchecken auf diversen Flughäfen gestaltet sich amerikanisch genau, mit schriftlichem Vorantrag versteht sich. Unsere Rucksäcke werden von innen nach außen gekehrt, immer wieder finden sich verdächtige Teile, die trotz heftiger Proteste gnadenlos entfernt werden, und wir sprechen hier nicht vom Handgepäck. Natürlich genügt es auch nicht halbnackt durch die Korridore zu laufen, am liebsten würden sie uns noch den Mageninhalt herauskratzen!

Bei jeder Ankunft lernt man vor allem eins: Geduld und Demut, stundenlanges Warten ist angesagt, streng in der Reihe bitte! Wo wir die letzten Wochen verbracht haben, genau, von wann bis wann! Warum wir einreisen wollen, was wir vorhaben, wo wir wohnen werden? Welche Insel wir als nächste bereisen werden, gibt’s dafür ein Ticket? Anfänglich stottern wir etwas von Islandhopping, und wissen noch nicht genau, da versteht die Behörde aber keinen Spaß, so geht das auf gar keinen Fall! Eventuell würden wir auch mal die Fähre nehmen... Look, das sind mir zu wenige Informationen!
Und dann kommt die letzte entscheidende Frage: Wo ist das Ticket zur Heimreise? Erleichtert zücken wir den Internet-Ausdruck und wähnen uns diesmal auf der sicheren Seite - weit gefehlt! Erst in zwei Monaten, was passiert denn da noch alles dazwischen, und wo bleibt die englische Übersetzung? Uns platzt gleich der Kragen! Mit gewisser Wehmut denken wir da an den berüchtigten Grenzübergang von Mauretanien in den Senegal zurück: die letzten hundert Meter ein begleitender Bodyguard und strikte No´s zu Hand aufhaltenden korrupten Beamten hingeschmettert, schon waren wir drüben!
Stirnrunzelnd klescht die strengbebrillte Zollmadame endlich den Gnadenstempel in unsere Pässe und wir landen in einer neuen Warteschlange zur Gepäckskontrolle. Schnorchelausrüstung? Was wir damit vorhaben? Um Gottes Willen, nur schnorcheln, bitte! Ob wir irgendwo Essen versteckt haben? Geris Kekse für den Unterzucker, schießt es uns durch die Köpfe, ganz zu schweigen von Sylvias Trieb Salz- und Pfeffersäckchen von der Bordverpflegung mitzunehmen. Ob die wohl einen Lügendetektor haben? Und es steht ja schon in der Bibel, du sollst nicht... Wir halten den Atem an und winseln ein Nein heraus. Wir werden in der Hölle schmoren, aber nun winkt die Freiheit! Auf Knien rutschend, Dankesworte stammelnd, verlassen wir die heiligen Hallen...
Angesichts der Jahrzehnte langen Bedrohung der Karibik durch Piraten muss man natürlich auch solche Maßnahmen verstehen!

Genüsslich schlendern wir tags drauf durch die sonntäglich verlassen wirkende Hauptstadt von TRINIDAD, Port of Spain, vorbei an den wenig verbliebenen Glanzbauten der Kolonialzeit und an den einzig offenen Geschäften für Karnevalsausstattung, bevor wir uns nach TOBAGO einschiffen. Welcome to Paradise! Die kleine Insel stellt sich für uns als ein Highlight der Karibik dar. Kilometerlanger einsam weißer Sandstrand mit kristallklarem Wasser, nur von kleinen Fischerdörfchen unterbrochen, wilder Dschungel im Inneren, freundliche Menschen. Whats up? All right? Are you ok? Spontane Einladungen zu Bier und Plaudereien von crazy haired Typen.

Ein Tauchgang an dem vorgelagerten Inselchen Little Tobago führt uns auch ins unterirdische Wunderland, staunend schwimmen wir um die zweitgrößte Hirnkoralle der Welt. In der Hauptstadt Scarborough haben sich etliche Syrer angesiedelt und schon bald werden wir wie gute Freunde mit Shisha und Kaffee empfangen, entgehen bei leckerem Hummus, mit dem Luxus eines Bestecks, den leider hier überall üblichen eintönigen Fraßfood-Läden, wo einem die Mayonnaise getränkte Mantsche praktisch über den Ärmel gleich in den Schlund rinnt. Der 17-jährige Sohn des Hauses erzählt uns stolz von seinem eigenen Unternehmen. Mit einem Rucksack voller T-Shirts, die er auf der Straße verkauft, zieht er durch die Gegend und will einmal bis New York oder London.

Dass wir uns hier länger einquartieren, hat einen besonderen Grund: Geris zweites Buch Sieben Welten - Seven Summits soll früher als geplant erscheinen. Wir redigieren also in Windeseile Kapitel für Kapitel und übermitteln diese via Internet dem Tyrolia Verlag. Dazwischen bleibt aber Zeit für ausgiebige Sonnenstunden am nahen Strand.

Wie ein Gemälde aus Wasserfarben umringt in GRENADA die bunte Hauptstadt St.George's die von Yachten und Schiffen aller Art belebte Bucht, die von einem stolzen Fort auf einer Anhöhe überragt wird. Wir ziehen mit einem Katamaran über raue Wellen zu weiteren Inseln. Auf Petit Martinique gelangt man locker spazierend von einem Ende zum anderen, und wenn man Glück hat, sieht man auch ab und zu ein Auto. Carriacou bedeutet einen großen Schritt zurück auf der Zeitlinie - hang out and get away from everything! Wir lassen uns in einem kleinen Appartement mit Küche und Balkon nieder. Ein Potpourri aus den hier haufenweise herumliegenden riesigen rosafarbenen Karibikmuscheln, tropischen Blüten und Kerzen schafft uns die Atmosphäre eines landesangepassten Weihnachtsabends, als Festessen gelangen frisch gekochte Kartoffel und Dosengemüse auf den Tisch, mehr ist in den Läden nicht aufzutreiben, doch uns schmeckt es hervorragend!

Anderntags durchwandern wir die kleine hügelige Insel, müssen dabei aber bedrückt feststellen, dass Weihnachten hier wohl eine andere Gangart eingeschlagen hat. Während Südamerika seit Herbst im Weihnachtskitsch überzuquellen drohte, ist da kaum etwas von Glanz und Glitter zu bemerken. Etliche Prachtvillen auswärtiger Besitzer stehen leer, die karge Bevölkerung scheint sich, vor allem in dem schmuddeligen Städtchen Hillsborough, in der Hauptsache König Alkohol hinzugeben, so gut wie keiner ist ohne Bierflasche in der Hand anzutreffen, die Wegränder sind gesäumt davon, viele schafften offensichtlich den Gang zu ihren Häusern nicht mehr und liegen flach vorm Eingang.

In den Weihnachtstagen liegt auch der Schiffsverkehr lahm. Nur mit Mühe können wir ein kleines Boot auftreiben, dessen beherzter Besitzer uns gekonnt über die sturmgepeitschten aufgewühlten Wellen schippert. Rührend bemüht er sich auch bei unseren Einreiseformalitäten in ST. VINCENT and the GRENADINES.
Union Island ist eine von den 32 Inselchen, der Hauptort Clifton bietet sich als entzückender Farbklecks mit sauberen kleinen Läden und Restaurants dar, im einzigen Hotel können wir den Preis mangels Touristen schnell auf eine für uns leistbare Ebene herunterhandeln. Der Ort lebt von den zahlreichen, oft unglaublich protzigen Yachten, die in der idyllischen Bucht vor Anker liegen. Schiffsnamen wie one more toy sind keine Seltenheit.
Auch die Scaramouche, das Originalschiff aus dem Film Piraten der Karibik befindet sich hier. Keine Frage, dass wir unverzüglich an Deck klettern und mit stolz geblähten Segeln zu den vorgelagerten Inselketten Mayreau, Tobago Cays und Palm Island aufbrechen. Weiß glitzernde Sandstrände, Korallenriffe, umspült von türkisblauem Wasser und einige servierte Gin Tonics lassen uns über die wahren Hintergründe des Piratenlebens grübeln. Abends wiegen uns die schwungvollen Rhythmen einer Steelpan, Trommelmusik auf Ölfässern, ein.

Wieder herrscht ordentlicher Seegang bei der Überfahrt zur schwarzsandigen Vulkaninsel St. Vincent. Die Fähre kann gar nicht richtig anlegen, immer wieder entfernt sich die Gangway vom Kai. Nur ein gewagter Sprung befördert uns in das Jahrhunderte alte Seefahrerstädtchen Kingstown, das Gepäck fliegt uns nach. Mit dem Geruch vielfältigster Meeresfrüchte in der Nase wandern wir über gepflasterte Straßen und durch Steinarkaden zum Cobblestone Inn, ein origineller Bau im Stil der Kolonialzeit.

Wie könnte es anders sein - zu Silvester muss es spucken! Wir steigen zum Kraterrand des La Souffriere auf. Ein kurzer Blick in die gelbschwefelige Tiefe ist uns vergönnt, bevor der Himmel seine Schleusen öffnet, kalter Regen auf uns nieder prasselt und dichter Nebel den schmalen Pfad zum 1234m hohen Gipfel verdüstert. Zum Jahreswechsel herrscht einsames Schweigen in der Hauptstadt, alles ist verrammelt, ein einziger KFC hat die köstlichen Pforten geöffnet, wenn wir nicht verhungern wollen, müssen wir da hinein! Dafür stoßen wir auf der Dachterrasse unserer Unterkunft gleich zweimal aufs NEUE JAHR 2011 an, nach heimatlicher und hiesiger Zeit - 5 Stunden Unterschied!

Unser Neujahrskonzert findet in luftiger Höhe auf dem Flug nach BARBADOS statt. Ein entzückendes Gartenhäuschen am sonnigen Sandstrand ist hier für einige Tage unser Zuhause. Im Supermarkt finden wir erstmalig nach langer Zeit des Darbens frisches Gemüse und Salat, allerdings zu stolzen Preisen. Mit einem Mietauto erkunden wir die Insel, die modern quirlige Hauptstadt Bridgetown, den langstreifigen Sandstrand im Westen, die felsige Atlantikküste im Osten, ein Paradies für Surfer. Beim Queren der Insel stoßen wir auf etliche Windmühlen, eine ist sogar noch in Betrieb, und jetzt machen wir uns auch auf die Suche nach der höchsten Erhebung. Selbst die Einheimischen sind sich nicht sicher, aber wir finden ihn - den im Unterholz und stacheligem Gebüsch versteckten 340m hohen Markierungsstein des Mount Hillaby!

Bob Marley, Rastafari-Kult, überlaute Reggaemusik tönt aus allen Lautsprechern, man wiegt und klatscht, yeah man, that’s JAMAICA! Hier ist, wie kaum auf einer anderen Insel, die Verbindung zu Afrika intensiv spürbar. 1831 kam es zur größten Sklavenrevolution, viele mussten dabei ihr Leben lassen, doch etliche konnten in die Berge flüchten und dort als Maroons ihre Traditionen bewahren.
Stundenlang kämpft der Jeep über die löchrig ausgewaschene Bergstrasse mit teils beängstigendem Gefälle und lädt uns vor der Berghütte Wildflower aus. Im schwachen Schein einer Petroleumlampe nehmen wir die Bar aus. Bald schon ist die Luft von süßlich dicken Schwaden geschwängert, die sich in weiterer Folge durchs ganze Land zu ziehen scheinen, einen eigenen Joint zu rauchen wäre die reinste Verschwendung!
Früh am Morgen schultern wir die Rucksäcke und genießen Natur und klare Luft auf dem Weg zum 2256m hohen Blue Mountain Peak.
Bei der Rückfahrt in die Hauptstadt Kingston stecken wir bald im Stau. You should have come to Jamaica without your wife, meint der Fahrer des Sammeltaxis augenzwinkernd zu Geri. Shall I go out?, fragt Sylvia draufhin. Der Stau kann nun gar nicht lange genug dauern, ein Gebrüll und Gelächter hebt an, die Aussage verbreitet sich unter Gehupe von Autofenster zu Autofenster: Welcome to Jamaica, give me five, das sollte einmal meine Frau sagen! Anerkennung brüllend erheben sich die Daumen, yeah!

Kingston teilt sich in Uptown, das Gebiet der Reichen, und Downtown, hier tobt der Krieg der Gangs, jeden Tag etliche Morde. Wir sind erschüttert von den unglaublichen Slums und Abfallhaufen zwischen elenden Marktbuden. Der Busbahnhof erinnert uns an afrikanische Verhältnisse, gefahren wird erst, wenn in jeder Reihe des Minibusses fünf Leute gequetscht sind, aufregen sinnlos, einem Einheimischen wird demonstriert, wie er mit einer Schulter nach vor und einer nach hinten gerichtet sehr wohl jede Menge Platz hat. Unsere Rucksäcke stellen ein fast unlösbares Problem dar, aber schließlich findet sich noch Raum beim Fahrer, der auch bald in gewagtem Tempo loslegt.
In Santa Cruz müssen wir in ein Sammeltaxi umsteigen, das uns zur Küste zu unserer gewählten Unterkunft bringt. Fahrer und Mitfahrer sehen bei der Ankunft die Enttäuschung in unseren Gesichtern. Wir bringen euch woanders hin, erklären alle spontan und suchen fast eine Stunde geduldig mit uns, bis wir schlussendlich im Golden Sands Resort landen, herrlich am Treasure Beach gelegen, mit akzeptablem Preis, und alle freuen sich mit uns! Ein Bootsausflug entführt uns in die Welt Furcht erregender Krokodile zur Great Morass am Black River. Sanft gleiten wir durch die fast domartig wallende Mangrovenallee, doch die Giganten lassen sich beim trägen Sonnenbad ohnehin nicht stören, sie sind Touristen gewohnt und kriechen sogar bis zum Dorfrand.

Die BAHAMAS sind anders! Das merkt man schon am Flughafen. Livemusik einer Band geleitet uns zum Immigration-Schalter. Welcome, enjoy your trip, nicht eine Frage zu unserem Verbleib oder unserer Abreise! Natürlich aber auch gewaltige Preise, Zimmer ab 200$ aufwärts, trotzdem finden wir ein leistbares Hostel.
Von den 700 Inselchen und 2400 Cays haben wir uns den längsten und dünnsten Strich ausgesucht: Cat Island! Nicht etwa eine Katze steckt hinter dem entzückenden Namen, sondern der gefürchtete Pirat Catt. Heftiges Gelächter, als wir die Frage nach dem Verbleib eines ATM dort stellen.
Mit einer kleinen Maschine landen wir am Airstrip und erreichen nach einem kurzen Fußmarsch das einzig offene Resort Bridge Inn, wo wir den Zimmerpreis unter 100$ handeln können, wir sind und bleiben aber auch die einzigen Gäste. Sogar kochen wird die Hausfrau extra für uns, denn die wenigen Hafenkneipen haben fast ausnahmslos geschlossen. Auch sonst findet man hier alles zugebrettert, Ruinen und wenig bewohnte Häuschen säumen die einzige Straße. 1700 Menschen soll es auf der etwa 100km langen und stellenweise nur 2km breiten Insel geben, aber zu Gesicht bekommen wir nur wenige.
Am rosafarbenen Strand der wilden Atlantikküste starten wir mit Rädern, sozusagen vom tiefsten Punkt, wie gehabt, zum höchsten. Gänzlich ohne Fixseile und Sauerstoff erklimmen wir etliche Steilstufen, einzige Gefahr sind die vielen sich arglos sonnenden Vipern, denen der Fluchtgedanke fremd ist, und erreichen schwitzend den 63 Meter hohen Gipfel des Mount Alvernia, den Country-Highpoint der Bahamas! Der Eremit Jerome Hawes hat hier vor 80 Jahren in einer Höhle gehaust und eine entzückende Kirche errichtet. Ein weiteres Juwel seiner Baukunst befindet sich einige Kilometer weiter, längst vergessen, überwuchert von stacheligen Ranken und Buschwerk.

Nach solch einer Anstrengung lassen wir die Seele am karibikseitigen Strand baumeln, kilometerlange Einsamkeit. Sanft plätschern die türkisen Wellen gegen die weiß glitzernden Korallensteine, würziger Lärchenduft aus dem nahen Wäldchen weht um unsere Nasen, silberne Wölkchen ziehen durchs Blau, der zarte Wind entlockt den Palmwedeln säuselnde Melodien - hier könnten wir ewig träumen!

Eleganz, Luxus, Getümmel, High Society - Stars wie Elton John und Michael Jackson sind auf Paradise Island in der Hauptstadt Nassau abgestiegen. Ein Rundgang im Casino der Prachtresidenz überzeugt uns davon, dass wir uns lieber in die Zeit um 1700 versetzen lassen würden, um mit den gefürchteten Piraten nach Schätzen zu jagen. Wenn wir geschnappt werden, droht uns der Strick! Was solls, it is a short life, but a merry one, lautet der Piratenspruch. Aber im letzten Moment können wir ja doch noch flüchten!



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