Reiseberichte


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ZWISCHEN GUERILLAS UND KARIBIK

Die Durchzugsstraße von Ecuador nach KOLUMBIEN ist bekannt für Raubüberfälle, allerdings nur bei Nacht, und so absolvieren wir die 18-stündige Fahrt hauptsächlich bei Tag, wobei wir gleich mit vorüber ziehenden herrlichen Landschaftsbildern belohnt werden: Kleine schmucke Dörfer wechseln mit bewaldeten Hügeln und Schluchten.

Das Städtchen Popayan wurde nach dem Erdbeben 1983 in alter Pracht aufgebaut. Zwei alte Bogenbrücken führen in die entzückende Innenstadt. In Weiß erstrahlen Kirchen, kleine Universitätsgebäude und Kolonialhäuser mit geschmackvoll gestalteten begrünten Innenhöfen. Diverse Platzregen verleiten in die zahlreichen Konditoreien und wir genießen erstmals den köstlichen kolumbianischen Kaffee!
Ein unglaubliches Aufgebot an Polizisten, Militär und privaten Sicherheitsleuten auf Straßen und in fast jedem Haus sorgen Tag und Nacht hier und auch sonst im Land für absolutes Sicherheitsgefühl. Auch die Sauberkeit auf den Strassen beeindruckt uns sehr, mancherorts herrscht sogar Mülltrennung, Rauchverbot in Lokalen ist selbstverständlich.
Südamerika verfügt über ein ausgedehntes Busnetz, jedes Busterminal gleicht einem Flughafengebäude mit unzähligen Geschäften, Kiosken und Fahrkartenschaltern, vor denen die Abfahrtszeiten der Busse ausgerufen werden. Gleich beim Betreten der Halle wird man zum richtigen Platz eskortiert.

Wir verstauen unser Gepäck in einem etwas klapprigen Minibus und schon geht es in Richtung Berge los. Anfänglich gleiten wir noch auf Asphalt, aber dann wird Luft aus den Reifen gelassen und wir rumpeln auf löchriger Schotterpiste im Schneckentempo dahin. Oft neigt sich der Wagen bedrohlich zur Seite, das Quietschen und Krachen wird nur durch kolumbianische Schmachtfetzn übertönt. Angesichts fehlender Stoßdämpfer hebt es uns einige Male mit den Köpfen bis an die Decke, ein Huhn flattert verstört aus einem Sack. Durch die verschmierten Fenster nehmen wir auf 3000 m Höhe die einer österreichischen Hochalm gleichende Umgebung wahr: Umzäunte saftig grüne Weiden mit schwarz gefleckten Kühen, schäumende Bäche, dazwischen einsame Gehöfte.

Natürlich wissen wir, dass wir uns in dieser Gegend in der Hochburg der Guerillas befinden, und ein Überfall lässt auch nicht lange auf sich warten...
Ohne für uns zunächst ersichtlichen Grund hält der Bus plötzlich auf offener Strecke an, vor uns stehen bereits zwei LKWs und ein weiterer Bus. Da steigt ein im Kampfanzug mit Gewehren und Macheten schwer Bewaffneter ein und bittet die Fahrgäste höflich, aber bestimmt, auszusteigen. Schweigend, mit etwas erschrockenen Gesichtern, verlässt einer nach dem anderen das Gefährt. Wir nutzen die Gelegenheit schnell, um unsere strapazierten Blasen, einige andere ihre durcheinander geschüttelten Mägen zu entleeren, dann schließen wir uns dem Strom nach vorne Eilender an. Gespannt harren wir an einem Versammlungsplatz der Dinge. Was jetzt?
Ein Führer tritt auf, stellt sich auf eine Anhöhe, begrüßt alle, bedauert, dass am Vortag einige wichtige Mitglieder seiner Truppe erschossen wurden und erklärt die Anliegen der Rebellen. Leider ist unser Spanisch nicht gut genug für den Wortschwall und von Zwischenfragen sehen wir ab. Nach einer Weile endet die Ansprache, der Redner bedankt sich fürs Zuhören und - wünscht allen eine gute Reise! Gracias, murmelt die Menge, und weiter geht die Fahrt unter dicken Staubwolken nach San Agustin.
Gewalt an der Bevölkerung und Entführung von Touristen ist seit einigen Jahren kein Thema mehr, erklären uns unsere französisch stämmigen Gastgeber, nur ins Schussfeld zwischen Guerillas und Militär sollte man nicht geraten, was ziemlich schwer fallen dürfte, denn lieber wird ein Gebiet abgeriegelt, wenn die Sicherheit von Touristen aus irgendeinem Grund gefährdet sein sollte. Viele der aufständischen Gruppen haben inzwischen den Kampf aufgegeben und Sitze im Parlament ergattert.

Geheimnisvolle, uralte Statuen und Gräber, deren Herkunft bis heute nicht enträtselt werden konnte, überziehen weitläufig die geschwungenen Hügel von San Agustin. Dazwischen breiten sich idyllische Dorfgemeinschaften und Fincas aus, jedes Häuschen im Eingangsbereich reichlich mit Blumenampeln ausgestattet, auf einem Bänkchen sitzend winken uns die Einwohner freundlich zu, gar mancher Guerilla im Kampfanzug dazwischen.
In der Zona Cafetera liegt das anmutige Bergdorf Salento, die bunt gestrichenen Häuschen mit ihren winzigen Balkonen sind wieder ein wahrer Augenschmaus! Vulkane bilden die Kulisse der mit Kaffeepflanzen überzogenen Berge. Wichtigstes Fortbewegungsmittel hier und auch in den anderen Andendörfern ist das Pferd. Lässig traben die Reiter mit graubraunem Poncho und Cowboyhut im Westernsattel durch die Gegend.

Durch dichten Nebelwald gelangen wir auf abenteuerlichen Holzstegen über angeschwollene Bäche und Schlammwegen in den skurrilen Wald der Wachspalmen, einzigartig und nur hier zu finden, sind es auch die höchsten Palmen der Welt. Wie Hochhäuser ragen glattstämmig die schlanken Gewächse in den Himmel, nur ganz oben der Blätterkranz. Kein anderer Baum oder Strauch auf der saftig grünen Weide, nur grasende Kühe. Geheimnisvoll andächtige Stille schwebt über der windlosen, weiten Hochfläche.
Abends stärken wir uns mit einem leckeren Forellengericht und spazieren bei trautem Laternenschein in unsere Unterkunft.

Krasser kann der Kontrast gar nicht sein, als wir im quirlig lauten Studentenviertel in der Hauptstadt Bogota einziehen. Aus übervollen Pubs tönt nächtlich laute Discomusik und in manch schummriger Ecke durchwühlen Obdachlose den auf den sonst sauberen Straßen in Plastiksäcken abgestellten Müll.
Unser erster Besuch gilt natürlich dem berühmten Goldmuseum und nebst Kathedrale und weiteren kunstvoll ausgestalteten Kirchen einer Ausstellung von seltenen Werken alter Meister wie Degas, Monet, Renoir und Picasso. Die vom hiesigen Zeitgenossen Fernando Botero karikierten üppigen Fleischwülste muten an wie in einem Lachkabinett, selbst der Präsident samt Gattin oder Mona Lisa bleiben nicht verschont.
Einmalig ist auch die einige Kilometer entfernte, in einer Salzmine unterirdische, aus riesigen Salzblöcken geformte Kathedrale von Zipaquira mit etlichen, in verschiedenen Farben beleuchteten Seitenaltären und langen Gängen.

Kurz vor unserer Weiterfahrt verwandelt heftiger Regen die abfallenden Gassen Bogotas in unpassierbare Bäche und wir fürchten schon, kein Taxi rechtzeitig zum Busterminal zu erwischen. Die ganze Nacht sind wir dann auf engen, kurvigen Bergstraßen in Richtung El Cocuy unterwegs und der Himmel hat seine Schleusen weiterhin offen.
Gegen 6 Uhr morgens hält der Bus plötzlich an. Schon wieder Guerillas? Alle steigen aus. Ein entwurzelter Baum erstreckt sich quer über die Straße. Machete, brüllt der Fahrer laut in die verschlafene, dörfliche Stille, und tatsächlich kommen sofort etliche Kinder mit entsprechendem Werkzeug angetrabt. Eigenhändig zerlegt unser Chauffeur mit gekonnten Hieben das Hindernis, wir helfen natürlich beim Wegschleppen.
Des Weiteren umfahren wir immer wieder vom Hang gerutschtes Felsgestein, und dann ist auf einmal endgültig Schluss! Ein gewaltiger Erdrutsch hat riesige Steinbrocken und mit Bäumen und Sträuchern vermischten Schlamm auf die Fahrbahn geschleudert und die halbe Straße dabei weggerissen, ein Sturzbach befördert weiteres Material zu Tal. Bestürzt starren wir auf das Ausmaß der Katastrophe! Aus! Wieder zurück nach Bogota! Handys schnellen ans Ohr, ein Bagger taucht auf, versucht dem Chaos Herr zu werden, muss schließlich aufgeben.

Was für uns Vergnügungstour ist, ist für die Einheimischen bitterer Ernst, sie müssen hinüber! Notdürftig werden Holzbretter über den Schlamm gelegt und schon wandern riesige Stücke von Schlachtvieh und Pakete jeglicher Art auf die andere Seite. Wir schwanken noch, was wir denn nun tun sollen, denn so mancher sinkt dabei bis zum Allerwertesten ein. Aufgeben?
Wir wagen es und auch wir bleiben nicht ganz verschont, obwohl uns freundlicherweise unsere großen Rucksäcke abgenommen werden. Drüben wartet schon ein Bus, wir steigen ein. Einige Kilometer muss er auf der schmalen Straße im Rückwärtsgang schieben, weitere Erdrutsche umkreisend, immer haarscharf am brüchigen Rand, gar mancher würde jetzt lieber wieder aussteigen, was auch bald der Fall ist, denn erneut ist die Strasse unpassierbar.

Nun heißt es zu Fuß weitermarschieren - El Cocuy liegt etwa eine Autostunde entfernt! Retter in der Not nahen in Form eines Jeeps und befördern uns schließlich in das anmutige Dorfchen, die niedlichen Häuser frisch in Hellgrün und Weiß getüncht, findet doch zur Zeit ein Schönheitswettbewerb unter den Dörfern statt. Vor einiger Zeit war hier buchstäblich noch die Hölle los, drei rivalisierende Rebellengruppen trugen wilde Schießgefechte aus, einige aus gestapelten Säcken verbliebene Schutzhütten mit Schießlöchern werden nun mit Holzbrettern verbaut, so ganz traut man dem Frieden noch nicht!
Für uns ist der erst kürzlich eröffnete und noch weitgehend unbekannte Nationalpark El Cocuy das große Ziel - in grandioser Bergwelt eingebettete Lagunen, umgeben von einzigartiger Pflanzenwelt in allen Farbschattierungen und den vielfältigsten Gerüchen. Wir saugen in bis zu zehnstündigen anstrengenden Touren über Felsen, durch Bäche und Sümpfe dieses Naturschauspiel in uns auf, und der Wettergott ist uns auch trotz Regenzeit gut gesonnen. Nur die hier ansässigen Leoparden bekommen wir leider nicht zu Gesicht!

Höhepunkt soll die Besteigung des 5410 m hohen Rita Cuba Blanco sein. Wir errichten nach steilem Aufstieg unser Zeltlager auf 4500 m. Eine sternenklare Nacht lässt uns optimale Bedingungen erwarten, aber auch eisige Kälte um 6 Uhr morgens. Nach einer Kletterei über die, wie von Riesenhand hinweg gestreuten, glatten Felsplatten erreichen wir die Schneegrenze und legen Steigeisen und Seil an. Vor uns breitet sich hoch türmend die gleißende Pracht aus, trügt ständig das Auge. Kaum haben wir das Gefühl einen Kamm gleich bezwungen zu haben, dehnt sich die in der Sonne glitzernde Pracht erneut zu Hügeln auf.
Endlich lässt ein auftauchender, niedrigerer Gipfel, umringt von gewaltigen, türkis schimmernden Eisabbrüchen und Spalten, auf das nahe Ziel hoffen. Eine letzte Steilstufe, an der wir uns mit Hilfe des Pickels hochziehen, muss noch überwunden werden, und wir stehen am höchsten Punkt der Ostanden! Glücklich drehen wir uns im Kreis, um all die erhabene Schönheit der Bergwelt rings um uns erfassen zu können. Unser Guide Alfredo mahnt allerdings zu einem raschen Aufbruch, der Schnee droht sonst zu weich zu werden, und die Gefahr in Gletscherspalten einzubrechen, wollen wir nicht riskieren! Wehmütig verlassen wir dieses wundervolle Fleckchen Erde!

11 Stunden tuckern wir über Ausweichstraßen nordwärts, übernachten, und schließen weitere 30 Stunden Busfahrt an. Wieder kurven wir auf abgerissenen Bergstraßen, von Hangrutschen begleitet, entlang Schwindel erregender Abgründe, bis wir schließlich die Karibikküste erreicht haben. Dampfende Schwüle und ein völlig anderer Lebensstil empfangen uns hier, Gemächlichkeit, Gelassenheit und Frohsinn!
Noch einmal wird die Fahrt wegen einer Schülerdemonstration für zwei Stunden unterbrochen, auch hier gibt es so etwas, doch trotz brütender Hitze murrt keiner!

Cartagena, die legendenumwobene Märchenstadt an der Karibikküste, umgeben von Steinwällen, ehemals als Schutz vor Piratenangriffen, verleitet zum romantischen Flanieren durch die verwinkelten Gassen, in denen Bougainvillea riesige Balkone bedecken und massive Kirchen ihre Schatten auf begrünte und belebte Plazas werfen. Hier treffen wir uns mit Geris Jugendfreund Rainer, den wir vor drei Jahren in Singapur besucht haben. Der Abend klingt mit Bier und einer von mit Trommelwirbel begleiteten Parade aus.

Von hier ist es nicht weit zum in einer idyllischen Bucht gelegenen Fischerdorf Taganga, einer der schrägsten Hippieplätze, die wir auf unseren Reisen kennen gelernt haben. Hängen gebliebene Touristen bevölkern Strand und Hauptstraße, die von zahlreichen Imbissbuden und Cocktailbars gesäumt wird, Typen wie Waluliso und Möchtegern-Barden heften sich an die Fersen, dem Dorffest bleiben wir auf Anraten lieber fern, denn die Einheimischen greifen nach entsprechendem Alkoholkonsum schnell mal zur Knarre und ballern durch die Gegend.
Wir finden unser Glück unter Wasser! Sylvia absolviert den vor drei Jahren in Manado wegen Denguefiebers abgebrochenen Tauchkurs und nun geht es dann gemeinsam hinab zu fantastisch geformten Korallenriffen. Neugierig begaffen uns in leuchtenden Farben schillernde Fische und Meeresschildkröten, unheimlich äugen Muränen aus ihren Löchern, anmutig wiegen sich verästelte Ranken, wankelmütigen, sehnsüchtigen Gestalten gleich.

Ciudad Perdida (Lost City) ist neben Machu Picchu die größte präkolumbische Stadt auf dem amerikanischen Kontinent und wurde 1973 von Grabräubern entdeckt. Um in die geheimnisvolle Stadt im Dschungel zu gelangen, ist die Erlaubnis der dort in alten Traditionen und Riten verwurzelt lebenden Kogi Indianer erforderlich.
Fünf schweißtreibende Tagesmärsche über Schlammpfade, zerklüftete Felsen und glitschige Wurzeln stehen uns in der von Moskitos und Sandflöhen verseuchten Grünen Hölle bevor. Ständig muss man die reißenden Flussschlingen des Rio Buritaca brusttief durchwaten, geschlafen wird in diversen Camps in Hängematten. Immer wieder begegnen wir Kogi Kindern in weißen Hemdchen, leichtfüßig, ohne Schuhwerk, huschen sie vorüber, ein Schwein nachziehend oder einen Säugling im Arm. Scheu blicken sie uns mit ihren großen, schwarzen Augen an, kaum ist ihnen ein Lächeln zu entlocken.
Der Kampf durch den mystisch anmutenden Urwald wird reichlich belohnt! Ehrfürchtig schreiten wir schließlich die Moos überwachsenen 1600 Steinstufen zu den 280 Felsterrassen empor. Wächter standen einst am Fuße und entschieden, wer in die Stadt hinauf durfte. Ein wahrhaft erhabener Anblick breitet sich auf dem höchsten Punkt unter uns aus, Zauber und Spiritualität, fühlbar für alle offenen Herzen!
Offene Herzen und unglaubliche Freundlichkeit sind uns stets in ganz Kolumbien begegnet und wir verlassen dieses herrliche Land mit dem Wunsch wieder zu kehren!



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