Reiseberichte
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TREKKING IM HIMALAYA
Wer geht im Monsun in Bhutan trekken? Niemand, antwortet Karma höflich. Dass das Ganze eine Schnapsidee ist, will niemand aussprechen, doch die auftretenden Begleitumstände bedürfen keiner Interpretation. Während unserer zehntägigen Wanderung wollten wir zwei langen Tälern über zwei hohe Pässe folgen, der sogenannte Jomolhari-Trek. Es gibt ihn nicht mehr. Die Regenfälle des Monsuns haben die Wege und Brücken unseres Aufstiegstales weggeschwemmt. So müssen wir unseren Weg bereits in einem kleinen Wäldchen über Thimpu starten und sollten nach vier Tagen auf den begehbaren Teil des Jomolhari-Treks treffen. Außer unseren Pferdeführern kennt niemand diesen Weg, von Touristen ist er noch nicht begangen worden. In jedem Fall wird dadurch unser Weg um vieles länger, dennoch stehen uns nur die geplanten zehn Tage zur Verfügung, mörderisch lange Tagesetappen sind zu erwarten.
Frühmorgens finden wir uns also im Erholungsgebiet bei Thimpu ein und treffen auf 13 Packpferde bzw. Maultiere, zwei Köche, zwei Pferdeführer, einen Helfer, und natürlich auf unseren Guide Karma. Es wird hier keine Dörfer geben. Alles, was wir brauchen, müssen wir mit uns führen. Und ob es die Wege und Brücken, die unsere Pferdeführer kennen, auch nach den Regenfällen der letzten Wochen noch gibt, das werden die nächsten Tage weisen.
Durch herrlich duftenden Nadelwald steigen wir von 2800m auf, kaum zu glauben, dass wir am Fuße des Himalaya marschieren! Wir umrunden immer wieder Chörten, passieren kleine, oft steil und malerisch in den Abhang gebaute Klöster, und sind nach rund vier Stunden bereits am 4100m mit Gebetsfahnen umwehten Dochu-Pass.
Von hier sollte es eigentlich bergab zum Zeltlager gehen, aber für unseren Guide Karma ist der Weg genauso neu wie für uns. Ohne große Höhenunterschiede geht es nun über unzählige kleine Pässe, hinter jeder Geländeformation erhoffen wir das Ende unseres Tagwerks. Erst nach weiteren drei Stunden erblicken wir auf einer lieblich anmutenden Blumenwiese unser Lager! Unsere Mannschaft ist mit den Pferden schon vor einer Stunde hier angekommen und hat die Zelte aufgestellt. Nach Tee und Keksen kuscheln wir uns etwas erschöpft in unsere Schlafsäcke und stehen erst wieder zum von unseren Köchen köstlich, in mehreren Gängen zubereitetem Abendessen auf. Luxus auch hier in the middle of nowhere! Zartes Gebimmel der umherstreunenden Pferde begleitet uns in den wohlverdienten Schlaf.
Bereits um 6 Uhr 30 wird uns am nächsten Morgen heißer Tee und Waschwasser zum Zelt serviert. Leider ist uns der Wettergott auch heute gar nicht gut gesonnen, es schüttet den ganzen Tag! Schnell werden die steilen Bergpfade zu Bächen, wir mühen uns in wild bergab stürzenden Wasserrinnen über Geröll und rutschige Schieferplatten. Bald schon sind wir pitschnass und mit quatschenden Schuhen erreichen wir nach sieben Stunden einen 4700m hohen Pass, unter dem unser Lager liegt. Kurz bricht sogar die Sonne hervor, aber schon nach wenigen Minuten hat uns der wie ein Dämon nacheilende Nebel wieder eingeholt. Hätten wir doch, wie unser Guide meinte, auf der Passhöhe laut schreien sollen, um die Dämonen zu verscheuchen? In der Nacht herrscht große Aufregung! Ein Leopard ist um unser Lager geschlichen, die Pferde sind in wilder Panik davon gestürzt. Geduldig sammelt ein Pferdeführer am Morgen seine Tiere von den verstreuten Berghängen ein.
Ein herrlicher Sonnenmorgen erwartet uns und gibt den Blick frei auf tiefgrüne Bergseen, umringt von imposanten Bergketten, eingebettet in ein märchenhaftes Blumenmeer, es duftet nach Minze und anderen frischen Kräutern. Und dann entdecken wir Edelweiß! Nicht eines, wie ein weißer Strahlenteppich ziehen sie entlang unseres Pfades! Unsere Abenteuerlust wird an breiten Flüssen gestillt: diese müssen wir etliche Male durchqueren. Da heißt es Schuhe ausziehen und sich durch die reißende und eisige Strömung zu kämpfen!
In den nächsten beiden Nächten prasselt heftiger Regen auf unser Zeltdach und am Morgen müssen wir wohl oder übel in nasse Socken und verschlammte Schuhe schlüpfen, denn trocken wird nun nichts mehr.
Am vierten Tag begegnen wir erstmals Menschen. Hinter einer der vielen Passhöhen tauchen unvermittelt zwei Steinhütten von Yak-Hirten auf. Scheu blicken die Bewohner aus den Hütten heraus, niemand kommt auf uns zu. Besucher ist man hier nicht gewohnt. Wieder geht es durch grandiose Landschaft und über mehrere Pässe hinauf auf den fast 5000m hohen Yale-Pass. Selbst in dieser Höhe gucken noch bunte Blumen unter den Schneehäubchen hervor.
Nach dieser Etappe ist ein Ruhetag angesagt! Und ein strahlend sonniger noch dazu! Wir räumen all unsere Sachen zum Trocknen aus dem Zelt, genießen den Blick auf die Eis-Wände der uns umgebenden, fast 7000m hohen Berggiganten Jichu Drake und Tsheri Kang.
Anderntags brechen wir frühmorgens auf und steigen durch Rhododendron Wälder immer höher hinauf, begleitet von lieblichem Vogelgezwitscher und dem Krachen abgehender Eislawinen. Immer wieder treffen wir auf Yak-Herden, der Anblick der mächtigen Bullen lässt uns schaudern und viele haben die lästige Angewohnheit, mitten am Weg zu liegen. Unglaublich! Es reicht, sich zu bücken und einen kleinen Stein aufzuheben, und die mächtigen Viecher nehmen Reißaus.
So schön das Wetter heute ist, knapp unter dem 4890m hohen Nyile-Pass fängt es erneut an zu graupeln und eisiger Wind bläst uns entgegen. Trotz Nebels wagen Geri und Stefan noch den Aufstieg auf den 5090m hohen Nyilele Peak. Im Abstieg verweilen wir in einer Hütte von Yak-Hirten. Beißender Rauch im Inneren trübt die Gemütlichkeit. Trotzdem ist es interessant, die Verarbeitung des Yak Käses zu verfolgen. Wir schlürfen frische Yak Milch und machen uns gestärkt an den weiteren Abstieg.
Es hat fast den gesamten Tag geschüttet und um unser etwas abschüssig gestelltes Zelt türmt sich nasse, glitschige Erde. Zum Nachtisch gibt es heute köstliche Buchteln, Tensing hat sich selbst übertroffen! Ein einfühlsamer Trost, denn eigentlich sind wir ob des Drecks, der sich bis ins Innenzelt hineinzieht, unser Gewand umfasst, vom übel riechendem Gestank ganz abgesehen, schon recht verzagt. Nur im Schlafsack ist es noch kuschelig, aber da müssen wir früh morgens ja wieder raus, rein in die nassen Klamotten und Schuhe, antreten zur Schlacht.
Weil es nun fast ohne Unterlass regnet, steigen wir in statt der geplanten drei in nur zwei Tagen nach Drugyel Dzong, dem Beginn der Asphaltstraße, ab, ein langwieriges, täglich bis zu neun Stunden dauerndes mühsames Unterfangen, müssen wir uns doch durch Schlamm und Matsch kämpfen!
Um hier überhaupt gehen zu können, wurden in aufwendiger Weise flache Steine gelegt, über die man balancieren muss. Tritt man daneben oder rutscht ab, landet man unweigerlich in knöcheltiefem Schlamm. Oftmals sind ganze Seen nur mit Hilfe dieser Steine zu überspringen. Es wird ein zweitägiger Balanceakt auf dünnen Ästen, glatten Wurzeln und spitzen Steinen, bei jedem Ausrutscher landet man unweigerlich im Morast!
Begleitet wird der Weg von einem gewaltig reißenden Fluss, der zum Teil den Pfad überspült, sodass wir uns an Gebüsch, Wurzeln und Ästen festhalten müssen, um überhaupt passieren zu können.
Und dann tut sich vor uns plötzlich der Abgrund auf! Eine Schlammlawine hat den Weg weggerissen! Ratlos stehen wir samt Pferden vor dem Aus, ein Weiterkommen scheint unmöglich! Aber wir müssen irgendwie durch! Meine armen Pferde, jammert einer der Pferdeführer und treibt sie den fast senkrechten Abhang durch das dichte Unterholz hinauf und auf der anderen Seite wieder hinunter. Vorsichtig queren wir inzwischen auf einem fußbreiten Streifen, tief unter uns giert der brüllende Fluss! Als wir drüben sind, atmen alle auf, weder Mensch noch Pferd sind abgestürzt…
Müde und voller Dreck wanken wir gegen Abend ins Hotelresort in Paro. Kaum trauen wir uns in die Hotelhalle, aber gleich werden uns fürsorglich alle Sachen abgenommen, zum Waschen gebracht, und der Tisch reichlich gedeckt. Noch in der Nacht träumen wir vom Springen von Stein zu Stein – nur ja nicht ausrutschen, nur ja nicht fallen!
Den letzten Tag verbringen wir wie die meisten Touristen in Bhutan. Wir steigen zum Taktsang-Kloster, dem touristischen Highlight des Landes hinauf. Das als Tigernest bekannt gewordene Kloster klebt in einer Hunderte Meter hohen, senkrechten Felswand, ein atemberaubender Anblick! Danach trennen sich unsere Wege. Sylvia und Stefan kehren auf verschiedenen Routen nach WIEN zurück, Geri fliegt weiter nach Kathmandu, von wo er wenige Tage später nach Tibet aufbrechen will, um den Cho Oyu zu besteigen.
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