Reiseberichte


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ÜBERLEBENSKAMPF

Dampfende Schwüle, der Schweiß rinnt uns aus allen Poren, der Kopf dröhnt vom ständigen Hupen und Geklingel, Rikschas drängen sich so dicht aneinander vorbei, dass einem angst und bang wird. Es riecht nach schlammig aufgeworfener Erde, vermischt mit scharf beißendem Abfallgeruch.
Wir sind in INDIEN gelandet und schlendern durch das Menschengewühl der Straßen und Gassen Kalkuttas, vorbei an endlos aneinander gereihten winzigen Geschäften, Bretterbuden und Hinduschreinen. Zwischen Dreck und Lacken drängen sich Händler, lagern Bettler im Rinnsal, intensiver Duft von Räucherstäbchen verströmt aus steinernen Tempelhäuschen. Schockierende Bilder von den Ärmsten der Armen, hungernd, apathisch, viele nur notdürftig bekleidet, Krüppel ohne Unterleib auf Händen rutschend, nackte Säuglinge neben der im Dreck liegenden Mutterbrust. Ohnmächtig müssen wir diese Bilder in uns eindringen lassen!

Das Überqueren der Straßen stellt jedes Mal ein gewagtes Kunststück dar, auch das Balancieren am mit Abfall überhäuften Fußweg. Das Schlimmste aber sind die gewaltigen Menschenmassen! Ein dichter, endloser Strom an Hin- und Hereilenden, überall kauern oder liegen zerlumpte Gestalten, über denen sich ein Gestank von faulenden Lebensmitteln ausbreitet.
Da ist nichts Liebliches in dieser Stadt, kein Platz der Entspannung, wo man die Augen vor der bedrückenden Realität verschließen könnte. Ein Hinweisschild weist zum Ordenshaus der Mutter Teresa. Ein Leben lang hat sie dort den Hoffnungslosen ein wenig Trost gegeben, das Bild der Stadt hat auch sie nicht verändern können.

Saftig grüne Reisfelder, kleine Dörfer mit bunten Märkten, Siedlungen aus Bretterbuden und Wasser ohne Ende, mächtige Flüsse, der größte 6,5 km breit – so erleben wir im Bus das Land zwischen den Millionenstädten Kalkutta und Dhaka, dem dichtest besiedelten Flecken dieser Erde. Auch auf der anderen Seite in BANGLADESCH sind die Landschaftseindrücke weitaus positiver, allerdings nur bis zum Fährhafen am Brahmaputra. Ein riesiger, an Menschen und Fahrzeugen völlig überladener Rosthaufen bringt uns bei untergehender Sonne ans andere Ufer. Lähmend gestaltet sich die Einfahrt in die Hauptstadt Dhaka, denn da landen wir unweigerlich wieder in einem stundenlangen Stau auf katastrophaler Staubstraße, Verkehrsgewühl bis lange nach Mitternacht. Das Elend scheint hier aber geringer als in Kalkutta.
Bei einer Bootsfahrt erleben wir das geschäftige Treiben der Millionenstadt, das sich zu großen Teilen am und auf dem Fluss Buriganga abspielt. Drei Stunden benötigen wir, um der aus der Stadt strebenden Lawine aus Bussen, LKWs, Scootern und Fahrradrikschas zu entgehen. Die Verkehrsregeln sind klar und eindeutig, der Stärkere gewinnt, der Schwächste wird von der Straße gefegt. Das setzt sich auch fort, als unser Bus endlich freie Bahn zum Rasen hat und wir bei haarsträubenden Überholmanövern ständig dem Tod ins Auge blicken. Wir? Nein, vor allem die Rad- und Rikscha-Fahrer blicken dem Tod ins Auge. Keiner darf einen Fehler machen. Unzählige Male müssen sie den Asphalt mit dem Straßengraben tauschen, und das stets im richtigen Augenblick!
Erstmals sieht Geri diesen Überlebenskampf vom erhabenen Sitz des Buspassagiers. Von hier oben sieht alles noch viel bedrohlicher aus. Mit Schaudern denkt er daran, dass er selbst vor drei Jahren, auf seinem Weg zum Mount Everest, 1500 km lang als Schwächster der Straße, als Radfahrer sich durch diese Welt kämpfen musste.
Irgendwann hat er sich damals an diesen Wahnsinn gewöhnt und so gewöhnen auch wir uns bald daran, gewinnen Vertrauen und landen schließlich sicher in einem der idyllischsten Flecken dieses Landes, im Gebiet der Teeplantagen um Sreemongol. Ein kleines Guest-House, gastfreundliche Menschen, einfache Dörfer in ländlicher Idylle, für einige Tage entfliehen wir hier dem Lärm und Stress der großen Städte.
In der Nilhautha Tea Cabin gibt es um 50 Cent einen Tee nach geheimer Rezeptur, fünf verschiedene Farben schillern in dem Glasgefäß!

Es regnet wieder, als wir den kleinen Grenzübergang erreichen und erst mal lange warten müssen, dann nimmt der übliche Papiermarathon seinen Lauf und schließlich sind wir wieder in INDIEN im Bundesstaat Meghalaya.
Zunächst windet sich die Straße aufwärts, vorbei an Wasserfällen, durch Lärchenwälder, eine herrliche Hügellandschaft, ein von Palmen durchsetzter Dschungel. Nebel fällt ein, und bald schon sieht man kaum mehr die Hand vor Augen. Kleine Dörfer mit festen Betonhäusern durchsetzen die welligen Hochebenen. Die Leute haben warme Strümpfe und Wolltücher an, denn die Luft ist frisch und klar.
Zu ungewisser Fahrt brechen wir aus dem 1500m hoch gelegenen Bergstädtchen Shillong nach Guwahati im Bundesstaat Assam auf. Hier ist wieder einmal alles im Aufruhr und ein Generalstreik droht jeglichen Verkehr lahm zu legen. Wir müssen Stefan vom Flughafen abholen, wir müssen morgen in Bhutan sein – wie soll das gehen?
Das Glück ist auf unserer Seite und der Generalstreik wird im richtigen Augenblick abgesagt! Wir genießen die Fahrt aus den Bergen hinunter durch den von Wasserfällen, Palmen und riesigen Farnen durchzogenen Dschungel in die Tiefebene Assams und können unseren Freund Stefan ungehindert und rechtzeitig vom Flughafen in Guwahati abholen.
Nach einer Substandard-Nacht in einem äußerst einfachen, von Kakerlaken gerne frequentierten Hotel fahren wir am nächsten Morgen auf winzigen Landstraßen weiter in den Norden. Das Weltreich Indien endet abrupt und unvermittelt. Am Ortsausgang des indischen Dörfchens Darranga versperrt ein mit Ornamenten geschmücktes Tor die Weiterfahrt. Nur zu Fuß können wir hindurch und gelangen in eine völlig neue, paradiesische Welt, nach BHUTAN, the Land of Happiness.



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