Reiseberichte


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SCHNEESTURM AM ÄQUATOR

Gespenstisch tauchen grelle Lichter in der von Wolken verhangenen Nacht vor mir auf. Riesige Ungetüme auf drei Meter hohen Rädern kreuzen unseren Weg, in einem Land ohne Vegetation.
Nach einigen Tagen auf der Insel Sulawesi bin ich nach PAPUA zurückgekehrt. Nichts erinnert hier an die steinzeitliche Welt der Korowai, nichts an die idyllischen Bergdörfer der Dani und Yali südlich des Baliem Tales. Ich bin in einer Geheimnis umwobenen HighTech-Welt gelandet, wo seit vierzig Jahren Kupfer und Gold in gigantischen Mengen abgebaut wird, in der Freeport Mine an den Südhängen fast 5000 Meter hoher Berge. Die Minengesellschaft, die die Menschenrechte der im Gebiet lebenden Papua rücksichtslos missachtet, schirmt ihr Gelände hermetisch gegen alle Fremden ab. Die Benutzung eines Helikopters, mit dem wir das verbotene Gelände überfliegen könnten, kommt auf Grund des instabilen Wetters nicht in Frage. Da der Zugang von Norden durch Stammeskämpfe weiterhin verhindert wird, bleibt für uns nur die Möglichkeit, zwei Militär- und einen Polizeiposten mit größeren Summen zu bestechen, um uns in der Nacht klammheimlich durch das Minengelände zu leiten. Der Weg zur Carstensz Pyramide, dem höchsten Gipfel des australisch-ozeanischen Kontinents, hat seinen Preis, und der ist für die fünfstündige Fahrt durch das verbotene Gelände extrem hoch.
Bis vor kurzem sah es stockdüster für uns aus, je zu diesem Berg zu gelangen. Vor drei Tagen hätten wir in Timika nahe der Mine mit dem Flugzeug landen sollen. Just zu dieser Zeit bekamen sich zwei Papua-Clans in die Wolle, es gab Kämpfe, Tote, die Stadt wurde für Ausländer gesperrt. Ein mühsam ausgehandelter Friede hätte uns zwei Tage später die Ankunft in Timika ermöglicht, doch da wird der Flug ganz einfach ersatzlos gestrichen.

Am nächsten Tag klappt schließlich alles und wir landen zur Mittagszeit in Timika. Noch am selben Abend startet unsere abenteuerliche Fahrt durch die gigantische Mine. Wir tragen Arbeiter-Schutzkleidung, wir nützen die Nacht, in der die Durchfahrt weniger gefährlich sein soll, erwischt zu werden. In knapp 3000 Metern Höhe erkennen wir in der Dunkelheit eine gewaltige Bergwand vor uns. Wir tauchen in ein unüberschaubares Tunnel-Labyrinth ein und staunen, dass der Fahrer nach einer halben Stunde tatsächlich den richtigen Ausgang aus dem Berg findet.
Erst nach Mitternacht erreichen wir die aus Heinrich Harrers Berichten bekannte Carstensz Wiese, die von einer eigentümlich gestreiften Felswand begrenzt wird, der Zebra Wall. Von einer Wiese ist hier allerdings nicht mehr viel zu sehen. Sie ist 30 Meter hoch mit Abbau-Schlacke aus der Mine bedeckt. Bei Regen werden wir hier in 3800 m Höhe ausgeladen, schnell verschwinden die Lichter des Jeeps in der Dunkelheit.
In Schein der Stirnlampen tasten wir uns den Schlacke-Haufen hinunter zum morastigen Wiesengrund an die Zebra Wall. Wir stellen unsere Zelte auf, verdrücken etwas kalten Reis, der sich auf der Ladefläche des uns begleitenden Pickups mit Benzin vermischt hat und vergraben uns todmüde in unseren Schafsäcken.

Nur wenige Stunden Schlaf sind uns gegönnt, wir müssen früh aufbrechen, um die wenigen trockenen Stunden des Tages zu nützen. Ab Mittag regnet es hier immer und fast ohne Unterlass. Mit schwerem Gepäck steigen wir langsam das idyllische Meren Tal hinauf, kleine Seen an den Abstürzen steil aufragender Felswände. In 4200 m Höhe errichten wir unser Basislager an einem türkisblauen See. Später steigen wir noch hundert Meter höher auf einen Bergrücken und von hier sehen wir erstmals die Carstensz Pyramide, stolz und abweisend, die steilen Felswände und der ausgesetzte Gipfelgrat flößen Respekt ein.

Nach einem Akklimatisationstag brechen wir um 4 Uhr morgens zum Gipfel auf. Den einstündigen Zustieg zum Berg können wir problemlos in der Dunkelheit bewältigen. Der Morgen graut an, als wir den Einstieg in die mächtige, 500 m hohe Nordwand erreichen. Viele Passagen sind hier mit Fixseilen abgesichert, doch niemand von uns will sich an diesen Seilen hochziehen. Herrlicher, fester Fels, Genusskletterei im 2. und 3. Schwierigkeitsgrad! Bei trockenem Wetter klettern wir Meter um Meter höher und verwenden die Fixseile nur zur Selbstsicherung. Einzig die flacheren, leichteren Passagen sind weniger vergnüglich. Hier sammelt sich Geröll, das immer wieder auf unsere Kletterhelme und Arme herunterprasselt.
Der Tag ist noch jung, als wir aus der Nordwand auf den Gipfelgrat gelangen. Wenig ansteigend führt er auf den noch in den Wolken verborgenen höchsten Punkt. Doch gerade auf diesem Grat finden sich die wahren Tücken des Anstiegs!

Kaum hat der Gipfelgrat begonnen, endet er auch schon wieder, der Gipfel ist noch fern. Vor uns liegt eine schier unendlich tiefe Gratspalte. Fünfzehn Meter weiter findet der Grat seine Fortsetzung, vier Kletterseile sind über den Abgrund gespannt. Ein Anblick, der mir das Herz in die Hose rutschen lässt! Recht bang hänge ich meinen Karabiner in die Seile ein und hangle mich wie ein Koalabär, kräftig an den Seilen ziehend, über diese luftige Passage.
Kaum hat sich mein Pulsschlag wieder etwas beruhigt, wartet schon die nächste Tücke. Wieder eine dieser tiefen Spalten im Grat, doch diesmal nicht so breit. Es bedarf bloß eines extremen Spreizschrittes, wobei man mit seinem Fuß auf einen zwei Zentimeter breiten Tritt treffen muss, die anschließende Gewichtsverlagerung über dem Abgrund ist auch nicht ohne. Eine dritte Gratspalte verbreitet weniger Schrecken, doch ist hier sauberes Klettern im 4. Schwierigkeitsgrad angesagt.
Ich klettere einige Seillängen weiter, erreiche Gehgelände und sehe meine Kameraden Dave und Matthew wenige Meter über mir ziemlich untätig herumstehen. Momente später begreife ich, dass ich den höchsten Punkt des Kontinents erreicht habe. 4884m, kein Punkt zwischen dem Himalaja und den Anden ist höher!

Der Wettergott hat es gut mit uns während des Aufstiegs gemeint, kein Regen! Nun hat es aber ein Ende mit seinem Wohlwollen. Schon auf den ersten Schritten des Abstiegs setzt dichtes Schneetreiben ein, das später in heftigen Dauerregen übergeht. Die Furcht erregende, breite Gratspalte wird auch im Abstieg zum Erlebnis der besonderen Art. Meine Hand verfängt sich im Führungskarabiner, alles blockiert und die Hand schmerzt. Nach langem Gezerre kann ich die Hand befreien, doch der Handschuh bleibt im Karabiner gefangen. Kein Vor und kein Zurück! Einziger Trost: Ich bin gut gesichert! Ich reiße den Handschuh in Fetzen und bekomme den Karabiner frei. Kurz darauf bin ich drüben und habe erstmals das Gefühl, den Berg geschafft zu haben.
Noch liegt die 500 Meter hohe Nordwand vor uns, abseilen an glitschnassen Wänden und Couloirs, aus denen Wasserbäche herunterstürzen, der Dauerregen lässt hier alles zu harter Arbeit werden. Am Wandfuß angelangt, bleibe ich lange sitzen, versuche zu verarbeiten, was mir in den letzten Stunden gelungen ist. Dann schlendere ich ziemlich ausgelaugt und doch euphorisch ins Basislager zurück.

Erst am Nachmittag des nächsten Tages brechen wir unser Basislager ab und treten den Rückweg zur Zebra Wall an, hoffend, dass irgendwann die Lichter eines Jeeps auftauchen werden, der uns wieder durch die Mine führt. Nach zwei Stunden des Wartens kommt das ersehnte Gefährt aus der Dunkelheit auf uns zu, wenige Stunden später lässt die Luxuswelt des Sheraton Timika die Anstrengungen in der ewig nassen Bergwelt Papuas in uns verblassen und frohen Mutes eile ich alsbald zu Sylvia, die es sich inzwischen mit ihrer Freundin Heidi auf der Tauchinsel BUNAKEN gemütlich gemacht hat…


REISEBERICHT EINER WHISKYFLASCHE

Wer mich kennt, weiß, dass ich einem Schlückchen Whisky nie abgeneigt bin und seit ich mit meiner Freundin Doris auf Achse war, galt ein netter Abendtrunk, schon aus medizinischer Sicht, zum obligatorischen Bestandteil unseres Reisens.
Diesmal war’s nicht ganz so einfach, denn bereits in Borneo gingen die Vorräte aus und sowieso ist laut Lonely Planet die Einfuhr in Papua strengstens verboten, also die Sagowürmer mussten ohne Konservierungsmittel den Darm passieren...
Nach solcher fast 50-tägiger Abstinenz also lässt sich meine Freude vorstellen, als meine Freundin Heidi anreiste und mir feierlich eine riesige Flasche Black Label überreichte, denn nach dem Abtauchen auf der Insel Bunaken, ein von Mangrovewäldchen umgebener paradiesischer Fleck, sind Pokerabende mit kreisender Flasche angesagt. Doch erstens kommt es anders, zweitens als man denkt!

Wir quartieren uns in kleinen, entzückenden Bungalows ein und am nächsten Tag beginnt der Tauchkurs. In der Nacht ereilen mich exorbitante Fieberschübe und ich fantasiere laut vor mich hin. Erschrocken starrt mich Heidi am Morgen an, sie hat kaum ein Auge zu getan. Mach dir keine Sorgen, ich hab wahrscheinlich Malaria, ein paar Tabletten Malarone und die Sache hat sich wieder, beruhige ich sie. Ich fühle mich zwar ziemlich matt, trotzdem nehme ich am Unterricht teil.
In der Nacht werde ich erneut von Fieberattacken geplagt. Als ich am Morgen erwache, schmerzt mein ganzer Körper, vor allem die Gelenke spielen völlig verrückt, ich kann mich kaum mehr bewegen, nicht einmal die Finger krümmen, nur unter Aufbietung aller Kräfte auf allen Vieren kriechen! Jetzt bin ich allerdings beunruhigt und werde nach Manado ins Labor gebracht.
Die Fahrt mit dem Motorboot wird zur unerträglichen Qual, ich spüre jede kleinste Welle schmerzhaft im ganzen Körper. Die Ergebnisse sind unbefriedigend, denn es wird lediglich festgestellt, dass ich keine Malaria habe, mein Immunsystem liegt allerdings danieder. Aber was ist dann mit mir los?

Die nächsten Tage werden zum Albtraum, nicht nur tut mir alles weh, mir graust vor Sonne, Meer, jeglichem Essen, vor allem die Ungewissheit über die Erkrankung macht mir am meisten zu schaffen. Bedrohlich thront die Whiskyflasche auf meinem Nachtkästchen und grinst mich höhnisch an...
Nur langsam erhole ich mich in den nächsten Tagen, zumindest soweit, dass ich Geri entgegen wanken kann. Wenigstens auf seinen Gipfelsieg wollen wir anstoßen, aber kaum habe ich die Flüssigkeit im Mund, spucke ich in hohem Bogen aus, grauenhaft!
Resigniert kehren wir nach Manado zurück, ade kommende herrliche australische Weine, ade angebrochene Whiskyflasche! Wohin nun mit ihr? Bei der letzten Grenzkontrolle hat sich keiner ums Handgepäck gekümmert, diesmal wird gekümmert und entdeckt! Wütend knalle ich die Flasche aufs Pult, Heidi schießt ein letztes Foto, dann verschwindet sie ganz schnell bei einem Beamten.



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