Reiseberichte


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WILDES BERGLAND DER PAPUA

Ruhig gleitet das kleine Flugzeug auf das Wasser - Gischt, ein letztes Aufheulen des Motors - Stille. Ein kleiner See, hoch oben in den Bergen, begrenzt von undurchdringbarem Dschungel, im Süden ragt ein Berg fast 5000 Meter in die Höhe. Ein abgeschiedener Ort, ohne Menschen, nur die alles beherrschende Natur.
Der Abenteurer Rich Archbold verweilt an diesem lieblichen Ort, erwartet nichts als Idylle. Doch dann tauchen sie aus dem dichten Ufergestrüpp auf, schwarze Menschen, nackt, nur mit riesigen Penisfutteralen bekleidet, bewaffnet mit Pfeil und Bogen und doch friedlich, Menschen, an denen eine Jahrtausende lange Geschichte spurlos vorbei gegangen ist, Menschen aus der Jungsteinzeit.
Man schreibt den 23. Juni 1938. Wenig später blickt Rich Archbold in das riesige, fruchtbare Baliem Tal hinunter. Tausende Menschen leben hier, unberührt von der Außenwelt, Menschen, von deren Existenz bisher zu diesem Zeitpunkt niemand etwas geahnt hatte.
Nach den Wirren des Zweiten Weltkriegs besannen sich die Holländer darauf, dass sie Kolonialherren von West-Neuguinea waren. Zaghaft wurden kleine Verwaltungsposten in den schwer zugänglichen Tälern des Berglandes errichtet.
Auch die unverzüglich vorstoßenden Missionare fanden reichlich Nährboden in den Menschen, die oft schnell bereit waren, einer sie beängstigenden Geisterwelt mit Stammesfehden und Kopfjagd zu entfliehen.
Das Ende der europäischen Kolonialherrschaft in Asien rief neue Kolonialmächte auf den Plan. Die eben erst in die Unabhängigkeit entlassenen Indonesier vertrieben ihre alten Kolonialherren und besetzten West-Neuguinea, suchten hier nach Siedlungsgebieten für ihre überbevölkerten Stamminseln. Die aus der Steinzeit erwachenden Papua begriffen nur langsam die drohende Fremdbestimmung.
Nur noch wenige Menschen sind hier übrig geblieben, die damals die Ankunft des kleinen Wasserflugzeuges erlebt hatten.

Liebliche Bergeshöhen, romantische Pfade, die sich dahinschlängeln, so hat sich uns die Gebirgswelt vom Flugzeug aus dargestellt, aber hier gibt es kaum ebene Wege, steil und rutschig führen die Pfade fast senkrecht bergauf und bergab, schwankende Hängebrücken mit atemberaubender Konstruktion aus Lianen und Ästen führen über reißende Bäche.
Wir brechen mit dem Jeep nach Kurima auf, eine Strecke, die Geri vor 23 Jahren noch zu Fuß gehen musste. Zur ersten Trekking-Etappe nach Wamerek steigen wir zunächst einen steilen, glitschigen Hang bergan, neben uns kleine Steinmauern, die Süßkartoffel- und Taro - Pflanzungen begrenzen. Hin und wieder ein kleines Dorf, verschmelzend mit einer von dichter Vegetation überwachsenen Bergwelt. Rundhütten für die Männer, längliche, viereckige Hütten für Frauen, Kinder und Schweine. Auf den Feldern arbeiten Männer mit hölzernen Grabstöcken, viele sind immer noch nur mit ihrem Penisfutteral bekleidet.
Nur 30 Kilometer von hier entfernt kann man BBC World empfangen und im Internet surfen. Die neue Welt ist nicht unbekannt, doch besonders die alten Menschen sehen wenig Anlass, den seit Ewigkeiten bewährten Lebensformen den Rücken zu kehren. Vor gut 20 000 Jahren wurde an diesen steilen Berghängen Weltgeschichte geschrieben. Vermutlich vollzog sich hier erstmals auf unserem Planeten der Übergang von der Alt- zur Jungsteinzeit in Form von Ackerbau.

Der Weg wird nun immer verwachsener, der einsetzende Regen erschwert das Fortkommen. Wie keuchen auf schlammigem Pfad auf Höhen über 2000 m empor. Dennoch sind diese Wege leichter begehbar als das dampfend-sumpfige Dschungelgewirr des Tieflands. Führer braucht man eigentlich keinen. Von weitem sind schmale, erdige Pfade einzusehen, die sich um die lieblichen, tiefgrünen Bergrücken schlängeln, vorbei an malerischen Rundhütten-Dörfern. Mehr aus Komfortbedürfnis denn aus Notwendigkeit sind wir auch hier mit Einheimischen unterwegs, mit Trägern und auch wieder mit Isak, der diesmal als Koch fungieren soll.

Oben weht kühler Wind, wir packen unsere Pullover aus, ein Einheimischer gesellt sich lächelnd zu uns – nackt! Erneut geht es abwärts, wir balancieren über glitschige Baumstämme, rasseln in mit Moos verdeckte Löcher, hinter uns eine flinkfüßige Frau, die beim Gehen ihr Tragnetz aus Orchideenfasern häkelt und uns bei Bedarf aus der Patsche hilft.
Anderentags ziehen wir auf langen Hangquerungen dahin. Isak will uns von den üblichen Routen wegführen, wir durchschreiten Dörfer, die wohl kaum je Fremde zu Gesicht bekommen und überall werden wir mit Händeschütteln von den als kriegerisch geltenden Dani und Yali freundlich aufgenommen.
Wir sitzen mit ihnen in ihren Hütten, spüren den Rauch der offenen Feuerstelle in unseren Augen, essen mit ihnen ihre seit Jahrtausenden immer gleichen Süßkartoffel Mahlzeiten, staunen, mit welch einfachen Mitteln Menschen überleben können. Auch die Spielsachen der Kinder, ein geflochtener Rattan-Reifen wird geschickt mit einer Astgabel bergauf und bergab getrieben, bringen uns ins Grübeln über unsere Konsumgesellschaft.

Die Nächte verbringen wir in den wenigen größeren Siedlungen auf unserem Weg. Dort gibt es schon Schulen und Kirchen, die man bereits von weitem an ihren Wellblechdächern erkennt. Teils schlafen wir in den Lehrerzimmern der Schulen, teils in verlassenen Rundhütten, wo unser Schlaf zwar manchmal durch Flöhe und Ratten, nicht aber durch offenes Feuer gestört wird.
Eine blitzsaubere Rundhütte wird in Syokosimo unsere lauschige Schlafstatt. Nach dem obligaten "mandi" im eiskalten Mugi kuscheln wir uns wohlig in unsere Schlafsäcke und erwarten sehnsüchtig den Ruf "makan, makan", der uns eiligst zum dampfenden Topf mit dem obligaten Reis-Nudelgericht von Isak sausen lässt.

Der darauf folgende Tag sollte eigentlich einen gemütlichen Ausklang bilden. Zunächst zieht sich der Weg auch idyllisch entlang des Flusses, von bunten Blumen und huschenden Eidechsen gesäumt, unsere Träger bleiben auch auf dieser Fährte.
Isak und wir steigen aber wieder bergauf, durchwandern einige Dörfer. Zwei Mädels haben sich uns angeschlossen, trippeln singend hinter uns her. Da ertönt aus der Ferne lautes Geschrei. Sofort fürchtet Isak Probleme für uns und schickt die beiden voraus. Im Dorf hat sich ein Streit entzündet, ein Schwein liegt, von einem Pfeil durchbohrt, auf dem Versammlungsplatz, eine kreischende Frau verlangt ein lebendes Schwein, das üblicherweise bei Todesfällen als Trostgabe gespendet wird.
Lange warten wir, bis sich die ärgsten Aufregungen gelegt haben, uns beschäftigt viel mehr, wie unser Weg weitergehen soll, denn Isak hat keine Ahnung mehr. Ein alter Mann erklärt sich schließlich bereit uns zu führen.
Bei strömendem Regen umrunden wir nun Berg für Berg auf steilen Abhängen, schlammig, die Steine wie mit Schmierseife überzogen, manchmal gibt es gar keinen Pfad mehr. Krampfhaft halten wir uns an Grasbüscheln und Farnen fest, robben auf allen Vieren Meter für Meter seitwärts, zerstechen uns die Arme an Dornen, schneiden uns an Gräsern, die Hände beginnen von manchen Pflanzensäften zu jucken. Immer wieder tapsen wir in versteckte Löcher und rutschen in die Tiefe. Isak fragt mehrmals, ob dies der richtige Weg sei, der alte Mann beruhigt ihn und fügt hinzu: Ich bin schon Christ, ich kann dich nicht anlügen!
Endlos zieht es sich weiter dahin, doch irgendwann sind wir bei der Brücke, über die es nach Yuorima geht, angelangt. Erschöpft lassen wir uns in der Hütte des Bürgermeisters nieder und bekommen sogleich Essen serviert, danach sieht die Welt wieder besser aus. Bei einem netten Geplauder stellt sich heraus, dass der Bürgermeister aus jenem Ort stammt, vor dem einst Geris Träger bei der Tour 1992 zitterten und in dem er ihr Leben freikaufen musste...

Der Weg zurück nach Kurima dauert zwar lange, führt aber auf der bequemen "Handelsstrasse" dahin, auf der wir viele Dani und Yali treffen, die schwere Lasten in ihre Dörfer schleppen.
Am Nachmittag überschreiten wir den tosenden Baliem und steigen in den Jeep, wenig später sind wir wieder in unsere Welt zurückgekehrt. Unsere Beine tun weh, Geris Wunde ist wieder offen, sein Fuß geschwollen.

Am übernächsten Tag fliegen wir aus Wamena ab und mit einem Platsch wirft es uns vom beschaulich einsamen wilden Leben am anderen Ende der Zeit in die brodelnde Zivilisation der Großstadt Manado, auf der Insel SULAWESI gelegen:
Warmwasserduschen, saubere Bettwäsche, Trinkwasser..... andererseits...
knatternder Autolärm statt einschläferndes Murmeln eines Baches...
kein trommelnder Regen aufs Blätterdach und Verrücken der Schlafstelle bei undichten Stellen...
keine Nägel an der Wand, an denen man seine Vorräte aufhängen kann, um sie vor den Ratten zu schützen...statt Heu und Palmblätter kalter Marmorfußboden...
Mango und Guave Säfte statt braunem Flusswasser…auch Sagowürmer sind hier schwer zu kriegen!
Wir genießen einerseits den unglaublichen Luxus hier, andererseits versuchen wir mit allen uns zur Verfügung stehenden Mitteln Geris Fuß für die anstehende Bergexpedition fit zu bekommen.



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